Die Kinder Von Eden : Roman
Dusty: »He, Leutnant, ich brauche Sie und Fähnrich Spirit zur Bewachung unseres Raumschiffs, während ich mit unserer Ersten Offizierin die Raumstation aufsuche.«
»Darf ich dann auch noch zu Daddy?«
»Selbstverständlich. Aber ich möchte erst ein paar Minuten mit ihm allein sprechen. Kann ich Ihnen den Bewachungsauftrag anvertrauen?«
»Klar doch!«
»Die korrekte Antwort in der Weltraum-Marine lautet nicht ›Klar doch‹, sondern ›Aye, Sir!‹.« »Aye, Sir!«
»Ausgezeichnet! Weiter so!«
Priest stieg aus, und auch Melanie verließ den Wagen. Sie wirkte nach wie vor ziemlich bedrückt. »Michael darf um keinen Preis erfahren, daß wir den Jungen hier draußen im Wagen gelassen haben«, sagte sie.
Priest verzichtete auf eine Antwort. Du magst dich ja davor hüten, diesen kostbaren Michael zu kränken, Baby, aber erwarte, von mir bloß nicht die gleichen bescheuerten Hemmungen …
Melanie nahm ihr Täschchen vom Sitz und hängte es sich über die Schulter. Ein schmaler Weg führte zur Eingangstür des Hauses. Melanie drückte auf die Klingel – und ließ den Finger darauf.
Sie hatte Priest bereits vorgewarnt: Ihr Ehemann sei eine Nachteule; er arbeite bis spät in die Nacht und schlafe am nächsten Tag gerne aus. Deswegen hatten sie beschlossen, um sieben Uhr morgens bei ihm aufzukreuzen. Priest spekulierte darauf, daß Michael zu verschlafen sein würde, um auf die Idee zu kommen, ihr Besuch könne noch einen anderen als den vorgeschobenen Grund haben. Wenn Michael nur den geringsten Verdacht schöpfte, kamen sie womöglich gar nicht an die Diskette heran.
Melanie hatte ihn als Workaholic bezeichnet, fiel Priest wieder ein. Tagsüber war er meist auf Achse und überprüfte die in ganz Kalifornien verstreuten Meßgeräte, die im Bereich der St.-Andreas-Spalte und anderen Verwerfungslinien jede auch noch so geringe Erdbewegung aufzeichneten. In der Nacht gab er dann die Daten in seinen Computer ein.
Ausschlaggebend dafür, daß Melanie ihn verlassen hatte, war allerdings ein Vorfall mit Dusty gewesen. Zwei Jahre lang hatte sie sich und das Kind rein vegetarisch ernährt; die Lebensmittel, die sie kaufte, stammten ausnahmslos aus kontrolliert biologischem Anbau oder aus Naturkostläden. Melanie war felsenfest davon überzeugt, daß die strikte Diät Dustys allergische Anfälle linderte; Michael blieb dagegen skeptisch. Eines Tages fand sie zufällig heraus, daß ihr Mann Dusty einen Hamburger gekauft hatte. Das kam in ihren Augen einer mutwilligen Vergiftung des Kindes gleich. Noch in derselben Nacht hatte sie Michael verlassen und Dusty mitgenommen, und noch heute bebte sie vor Wut, wenn sie die Geschichte erzählte.
Priest nahm an, daß Melanie mit ihrer Meinung über Dustys allergische Reaktionen gar nicht so falsch lag. Die Kommune ernährte sich schon seit Anfang der siebziger Jahre rein vegetarisch – eine Lebensweise, die in jener Zeit noch als exzentrisch galt. Damals hatte Priest starke Zweifel am Sinn einer solchen Ernährung gehegt, sich aber trotzdem dafür entschieden, da sie ein Gutteil zur Abgrenzung der Kommune von der Außenwelt beitrug. Ihren Weinbau betrieben sie ohne Einsatz von Chemikalien – ganz einfach, weil sie sich in der Anfangszeit Spritzmittel welcher Art auch immer gar nicht leisten konnten. Schließlich hatten sie aus der Not eine Tugend gemacht und ihren Wein »biologisch« genannt, was sich bald als hervorragendes Verkaufsargument erwies. Auch war Priest nicht entgangen, daß seine Kommunarden nach einem Vierteljahrhundert Vegetarierleben ein auffallend gesundes Völkchen waren. Medizinische Notfälle kamen nur äußerst selten vor, und um die weniger ernsthaften Wehwehchen kümmerten sie sich selbst. Vom Wert einer gesunden Ernährung war er also schon längst überzeugt, jedoch bei weitem nicht so darauf fixiert wie Melanie. Er aß nach wie vor gerne Fisch, und es kam immer wieder einmal vor, daß er unbesehen ein Sandwich oder eine Suppe mit Fleischbeilage zu sich nahm, ohne daß es ihn sonderlich gestört hätte. Melanie war da viel empfindlicher. Stellte sich zum Beispiel heraus, daß ihr Pilzomelett in tierischem Fett gebacken war, spuckte sie es unweigerlich wieder aus.
Eine mürrische Stimme tönte durch die Sprechanlage. »Wer ist da?«
»Melanie.«
Ein Summton erklang, und die Haustür ließ sich aufdrücken. Priest folgte Melanie in den Flur und die Treppen hinauf. Im ersten Stock stand eine Wohnungstür offen und Michael Quercus auf der
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