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Die Kinder Von Eden : Roman

Die Kinder Von Eden : Roman

Titel: Die Kinder Von Eden : Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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anderen, wie jemand, der auf der Türschwelle steht und nervös von einem Fuß auf den anderen tritt. Und dann kam das Möbel auf Judy zugetanzt.
    Sie schrie.
    Die Schlafzimmertür erzitterte: Bo versuchte, sie einzuschlagen.
    Die Kommode kam näher und näher, in zentimeterkurzen Schritten. Judy hoffte, der Teppich würde sie aufhalten, doch die Löwenpranken schoben ihn einfach vor sich her.
    Das Bett wackelte inzwischen so heftig, daß Judy hinausfiel.
    Nur Zentimeter vor ihr kam die Kommode zum Stehen. Die mittlere Schublade ging auf wie ein großes Maul, das Judy verschlingen wollte. Judy schrie aus Leibeskräften.
    Krachend flog die Tür auf, und Bo stürmte herein.
    Und dann war das Erdbeben vorüber.
    Heute, dreißig Jahre später, konnte sie noch immer das Entsetzen spüren, das wie ein Anfall über sie gekommen war, als um sie herum die Welt in Stücke fiel. Noch jahrelang hatte sie Angst gehabt, ihre Schlafzimmertür zu schließen, und ihre Furcht vor Erdbeben war bis auf den heutigen Tag nicht gewichen. Obwohl kleinere Beben, die den Boden unter den Füßen nur ein wenig zum Zittern brachten, in Kalifornien an der Tagesordnung waren, hatte sich Judy nie richtig daran gewöhnen können. Und wenn sie spürte, wie die Erde bebte, oder im Fernsehen Bilder von eingestürzten Gebäuden sah, dann fuhr ihr die Angst wie eine Droge durch die Adern. Nicht etwa, daß sie befürchtet hätte, sie könne zermalmt werden oder verbrennen – nein, sie wurde beherrscht von der blinden Panik des kleinen Mädchens, dessen Welt urplötzlich auseinanderbricht.
    Am Abend, als Judy das exklusive Ambiente des Masa betrat, war sie noch immer ziemlich nervös. Sie trug ein enganliegendes schwarzes Seidenkleid und die Perlenkette, die Don Riley ihr in dem Jahr, in dem sie zusammenlebten, zu Weihnachten geschenkt hatte.
    Don bestellte Corton Charlemagne, einen Weißburgunder, den er jedoch weitgehend alleine trank. Judy mochte zwar den nussigen Geschmack des Weines, aber wenn sie eine halbautomatische, mit 9-mm- Munition geladene Pistole in ihrer Abendhandtasche aus schwarzem Lackleder mit sich herumtrug, hielt sie sich beim Alkohol sehr zurück.
    Sie erzählte Don, daß Brian Kincaid ihre Entschuldigung und die Rücknahme der Kündigung akzeptiert hatte.
    »Es blieb ihm gar nichts anderes übrig«, sagte Don. »Hätte er abgelehnt, so wäre das einer Kündigung seinerseits gleichgekommen. Und wer gleich am ersten Tag als Leitender SAC eine seiner besten Mitarbeiterinnen in die Wüste schickt, macht einen verdammt schlechten Eindruck.«
    »Mag sein, daß du recht hast«, sagte Judy, doch insgeheim dachte sie: Der hat gut reden. Hinterher ist man immer klüger.
    »Natürlich habe ich recht.«
    »Du darfst eines nicht vergessen: Brian ist ein IKMM.« Die Abkürzung stand für Ihr könnt mich mal und für Beamte, die sich so üppige Pensionsansprüche gesichert hatten, daß sie sich in den Ruhestand verabschieden konnten, wann immer es ihnen in den Kram paßte.
    »Schon, aber er hat auch seinen Stolz. Stell dir bloß mal vor, wie er Washington erklärt, warum er dich hat ziehen lassen: ›Sie hat Leck mich am Arsch zu mir gesagt!‹ Darauf die Zentrale: ›Noch nie einen Agenten fluchen hören, Kincaid? Sind Sie plötzlich Pfarrer geworden, oder waren Sie schon immer so zart besaitet?‹«
    Don schüttelte den Kopf. »Menschenskind, der gälte doch bloß noch als Weichei!«
    »Schon möglich.«
    »Ist ja auch egal. Ich bin jedenfalls froh, daß wir vielleicht schon bald wieder zusammenarbeiten.« Er hob sein Glas.
    »Auf weitere brillante Strafverfolgungen durch das starke Team Riley und Maddox!«
    Sie stießen an und nippten an ihren Weingläsern.
    Während des Essens unterhielten sie sich über den Fall Fung und ließen dabei nichts aus. Sie sprachen über ihre eigenen Fehler, die überraschenden Schachzüge der Verteidigung, die Augenblicke höchster Spannung und des Triumphes.
    Beim Kaffee fragte Don: »Vermißt du mich?«
    Judy runzelte die Stirn. Nein zu sagen wäre grausam und nicht einmal zutreffend. Aber sie wollte ihm auch keine falschen Hoffnungen machen. »Das eine oder andere fehlt mir, ja«, sagte sie. »Ich mag dich, wenn du lustig und geistreich bist.«
    Auch vermißte sie einen warmen Körper an ihrer Seite, wenn sie nachts im Bett lag, doch das behielt sie lieber für sich.
    »Mir fehlt, daß ich mit dir nicht mehr über meine Arbeit sprechen kann und daß ich nichts mehr von deiner erfahre.«
    »Ich rede jetzt halt

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