Die Kinder Von Eden : Roman
zuversichtlich zu sprechen, »Du hältst zwei Disketten in der Hand. Steck sie beide in deine1 Handtasche.«
Sie gehorchte automatisch.
»Und jetzt mach die Tasche zu.«
Sie tat es.
Er hörte, wie unten die Eingangstür ins Schloß fiel. Michael kam zurück. Priest spürte, wie ihm der Schweiß im Rücken ausbrach. »Denk nach: Als du hier gewohnt hast – gab es da einen Schrank, in dem Michael Büromaterialien aufbewahrt hat?«
»Ja. Jedenfalls eine Schublade.«
»Und?« Wach auf, Mädchen! »Wo ist die?«
Melanie deutete auf eine billige weiße Kommode an der Wand.
Priest riß die oberste Schublade auf. Sie enthielt ein Päckchen mit gelben Notizblöcken, eine Schachtel mit billigen Kugelschreibern, ein paar Stapel weißes Schreibpapier, einige Briefumschläge -und eine angebrochene Schachtel mit Disketten.
Er hörte Dustys Stimme. Sie kam offenbar aus dem Flur, gleich hinter der Wohnungstür.
Mit zitternden Fingern fummelte er eine Diskette aus der Schachtel und gab sie Melanie. »Geht die?«
»Ja, die ist von Philips.«
Priest drückte die Schublade wieder zu.
Im selben Augenblick trat Michael mit Dusty auf dem Arm ins Zimmer.
Hergott noch mal, Melanie, rühr dich endlich!
Dusty sagte: »Weißt du was, Daddy? In den Bergen hab‘ ich nicht einmal geniest.«
Michaels Aufmerksamkeit galt allein seinem Sohn. »Ja, wie gibt‘s denn das?« fragte er.
Melanie hatte sich wieder im Griff. Als Michael sich bückte und Dusty auf die Couch setzte, beugte sie sich über das Laufwerk und ließ die Diskette in den Schlitz gleiten. Das Gerät gab einen leisen Summton von sich und verschlang die Diskette wie eine Schlange, die eine Ratte hinunterwürgt.
»Du hast wirklich nicht geniest?« sagte Michael zu Dusty. »Kein einziges Mal?«
»Nee.«
Melanie richtete sich wieder auf. Michael hatte sie keines Blickes gewürdigt.
Priest schloß vor lauter Erleichterung die Augen. Sie hatten es geschafft. Sie hatten Michaels Daten – und er würde nie etwas davon erfahren.
»Und was ist mit dem Hund?« wollte Michael wissen. »Mußt du auch nicht niesen, wenn er in der Nähe ist?«
»Nein. Spirit ist ein sauberer Hund. Priest läßt ihn sich immer im Bach waschen, und dann kommt er wieder raus und schüttelt sich, und dann regnet‘s. Aber wie!« Dusty lachte vergnügt.
»Stimmt das?« fragte sein Vater.
»Ich hab‘s dir doch gesagt, Michael«, antwortete Melanie.
Ihre Stimme bebte ein wenig, doch ihrem Mann schien das nicht aufzufallen. »Okay, okay«, sagte er in versöhnlichem Ton »Wenn das Leben da oben Dusty wirklich so gut bekommt, da werden wir uns schon auf eine Lösung einigen.«
Melanie wirkte erleichtert. »Danke«, sagte sie.
Priest gestattete sich den Anflug eines Lächelns. Sie hatte einen weiteren, entscheidenden Schritt vorwärts getan.
Nun durfte der Computer nur nicht abstürzen. Denn da würde Michael die Daten von der Optical Disc auf die Festplatte überspielen wollen und dabei feststellen, daß die Diskette leer war.Solche Abstürze kamen aber, wie Priest von Melanie gehört hatt nur sehr selten vor. Sie konnten also mit einiger Zuversicht davon ausgehen, daß heute nichts mehr passierte. Am Abend würde der Computer dann die leere Diskette mit Michaels Daten überschreiben. Morgen früh um die gleiche Zeit wäre der Diskettentausch nicht mehr nachweisbar.
»Wenigstens bist du hergekommen, um mir Bescheid zu sagen«, sagte Michael. »Das freut mich.«
Priest wußte, daß Melanie lieber telefonisch mit ihrem Mann verhandelt hätte. Doch ihre Übersiedlung in die Kommune war ein idealer Vorwand dafür gewesen, Michael in seiner Wohnung aufzusuchen. Ein ganz normaler Besuch ohne besonderen Anlaß hätte ihn zwangsläufig mißtrauisch gemacht. So, wie die Dinge gelaufen waren, konnte Michael kaum auf dumme Gedanken kommen.
Michael Quercus war ohnehin nicht von der mißtrauischen Sorte, darauf hätte Priest schwören können. Hochintelligent, aber arglos, wie er war, fehlte ihm die Fähigkeit, hinter die Fassade zu schauen und zu erkennen, was in den Herzen anderer Menschen vorging.
Er selbst, Priest, besaß diese Fähigkeit im Übermaß.
Melanie sagte: »Ich bringe Dusty her, sooft du ihn sehen willst.«
Priest konnte in ihrem Herzen lesen. Nun, da sie von Michael bekommen hatte, was sie wollte, war sie nett zu ihm. Den Kopf ein wenig geneigt, lächelte sie ihm freundlich zu. Aber sie liebte ihn nicht – nicht mehr.
Bei Michael sah das ganz anders aus. Er trug ihr immer noch
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