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Die Kinder Von Eden : Roman

Die Kinder Von Eden : Roman

Titel: Die Kinder Von Eden : Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Hörer aufgelegt hatte.Wutentbrannt war sie ins Büro zurückgefahren. Sie meldete sich grundsätzlich nie an; FBI-Agenten taten das nur in den seltensten Fällen. Auch Judy zog es vor, ihre Kandidaten zu überraschen,. Fast alle Befragten hatten irgend etwas zu verbergen, und je weniger Zeit sie zum Nachdenken hatten, desto eher unterliefen ihnen aufschlußreiche Fehler. Aber Quercus verhielt sich in enervierender Weise korrekt – sie hatte nicht das Recht, ihn so zu überfallen. Judy hatte also in den sauren Apfel gebissen, ihn angerufen und einen Termin für den nächsten Vormittag mit ihm vereinbart.
    Sie beschloß, Bo von dem Ärger mit Quercus nichts zu erzählen. »Ich brauche jemanden«, sagte sie, »der mir die wissenschaftlichen Zusammenhänge so verständlich macht, daß ich mir ein ; eigenes Urteil darüber bilden kann, ob ein Terrorist überhaupt imstande ist, ein Erdbeben zu erzeugen.«
    »Und du mußt diese Kerle auffliegen lassen, von denen die Drohung stammt. Gibt‘s da schon Fortschritte?«
    Judy schüttelte den Kopf. »Ich habe Raja die Aktivisten der Bewegung Grünes Kalifornien befragen lassen. Kein einziger von ihnen paßt zum bisherigen Täterprofil, keiner ist je als Krimineller oder Revoluzzer hervorgetreten. Es sind nicht die geringsten Verdachtsmomente aufgetaucht.«
    Bo nickte. »Es war ohnehin nicht zu erwarten, daß die Täter ihre richtige Adresse angeben. Laß dich deshalb nicht entmutigen. Du arbeitest ja erst seit anderthalb Tagen an diesem Fall.«
    »Stimmt – aber das Ultimatum läuft schon in drei Tagen ab. Und ich muß am Donnerstag nach Sacramento und einen Lagebericht im Büro des Gouverneurs abliefern.«
    »Dann fängst du am besten gleich morgen früh an.« Bo erhob sich von der Couch.
    Sie gingen die Treppe hinauf. Vor ihrer Schlafzimmertür blieb Judy stehen. »Erinnerst du dich an das Erdbeben damals, als ich sechs Jahre alt war?«
    Bo nickte. »Keine große Sache, nach kalifornischen Maßstäben. Aber du warst zu Tode erschrocken.« Judy lächelte. »Ich habe gedacht, die Welt geht unter.«
    »Das Beben muß im Haus einiges verzogen haben, weil deine Schlafzimmertür klemmte. Als ich mich dagegenstemmte, um sie zu öffnen, hab‘ ich mir fast die Schulter gebrochen.«
    »Ich dachte damals, du hättest dafür gesorgt, daß die Rüttelei aufhört. Jahrelang hab‘ ich das geglaubt.« »Danach hast du Angst vor dieser Kommode gehabt, die deiner Mutter so gut gefiel. Du wolltest sie nicht mehr im Haus haben.«
    »Ich dachte, sie wollte mich auffressen.«
    »Ich hab‘ sie schließlich zu Kleinholz zerhackt und verfeuert.« Bo wirkte plötzlich traurig. »Ich wünschte, ich könnte diese Jahre zurückholen und noch einmal durchleben.«
    Judy wußte, daß er an ihre Mutter dachte. »Ach ja«, sagte sie.
    »Gute Nacht, mein Kind.«
    »Gut‘ Nacht, Bo.«
    Am Mittwochmorgen, als sie über die Bay Bridge hinaus nach Berkeley fuhr, fragte sich Judy, wie Michael Quercus wohl aussehen mochte. Die Art und Weise, auf die er sie abgefertigt hatte, deutete auf einen mürrischen Professor hin, gebeugt und ungepflegt, der sich über jede Kleinigkeit aufregte und die Welt durch Brillengläser betrachtete, die ihm immer wieder auf die Nase rutschten. Oder gehörte er eher zu jenen akademischen Wichtigtuern im Nadelstreifenanzug, die potentiellen Sponsoren ihrer Universität Honig ums Maul schmierten, allen anderen jedoch, die ihnen nicht von Nutzen waren, arrogant die kalte Schulter zeigten?
    Judy parkte im Schatten einer Magnolie an der Euclid Avenue. Als sie klingelte, beschlich sie das entsetzliche Gefühl, Quercus könne sich wieder eine Ausrede einfallen lassen und sie noch einmal fortschicken. Doch nachdem sie ihren Namen genannt hatte, ertönte ein Summer, und die Tür ging auf. Judy stieg zwei Treppen hoch zu seiner Wohnung und trat ein, als sie sah, daß die Tür offen stand. Die Wohnung war klein und billig eingerichtet – viel Geldkonnte der Mann mit seiner Arbeit nicht verdienen. Durch einen kleinen Vorraum gelangte sie ins Wohnzimmer, das gleichzeitig als Büro diente.
    Michael Quercus saß in Khakihosen, braunen Wanderstiefeln und einem marineblauen Polohemd an seinem Schreibtisch und war, wie Judy auf den ersten Blick erkannte, weder ein mürrischer Professor noch ein akademischer Wichtigtuer, sondern einfach eine Wucht: hochgewachsen, fit, gutaussehend, mit dunkel gelocktem Haar. Nach ihrem ersten Eindruck war er einer dieser Typen, die sich – groß, schön und

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