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Die Kinder Von Eden : Roman

Die Kinder Von Eden : Roman

Titel: Die Kinder Von Eden : Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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aneinandergeraten waren.
    Peters stellte einen jungen Agenten zu ihrer Unterstützung ab. Raja Khan, ein schnellsprechender Hindu, war sechsundzwanzig Jahre alt und hatte ein Diplom in Betriebswirtschaft. Judy war zufrieden. Khan fehlte es zwar noch an Erfahrung, aber er war intelligent und engagiert.
    Sie gab ihm einen kurzen Überblick über den Stand der Dinge und schickte ihn dann los mit dem Auftrag, die Bewegung Grünes Kalifornien zu überprüfen. »Seien Sie freundlich zu den Leuten«, sagte sie. »Sagen Sie ihnen, daß wir nicht glauben, sie hätten etwas mit dem Fall zu tun, daß wir aber auf Nummer sicher gehen müssen.«
    »Wonach suchen wir?«
    »Nach einem Pärchen. Er ist eher ein Arbeitertyp, Mitte vierzig und möglicherweise Analphabet. Sie hat höhere Schulbildung, ist so um die dreißig und wahrscheinlich von ihm abhängig. Aber ich glaube nicht, daß Sie die beiden dort finden, das wäre zu einfach.«
    »Und sonst?«
    »Am hilfreichsten wäre eine Liste mit den Namen aller haupt-und ehrenamtlichen Funktionäre der Organisation. Die lassen Sie dann durch den Computer laufen und stellen fest, ob der eine oder andere schon mal wegen krimineller oder subversiver Tätigkeit aktenkundig geworden ist.«
    »Ist geritzt«, sagte Raja. »Und was tun Sie unterdessen?«
    »Ich nehme Unterricht in Erdbebenforschung.«
    Ein Erdbeben hatte Judy selbst miterlebt.
    Das Santa-Rosa-Beben hatte Schäden in Höhe von sechs Millionen Dollar verursacht – nicht sehr viel, verglichen mit anderen -und war nur in einem verhältnismäßig kleinen Gebiet von etwas mehr als dreißigtausend Quadratkilometern wahrnehmbar gewesen. Damals hatte die Familie Maddox nördlich von San Francisco, im Bezirk Marin, gewohnt, und Judy war gerade in die Schule gekommen. Inzwischen wußte sie längst, daß es sich nur um ein kleineres Erdbeben gehandelt hatte. Der sechsjährigen Judy jedoch war es vorgekommen wie der Weltuntergang.
    Sie hatte in ihrem Bett gelegen und geschlafen, als sie plötzlich von einem Geräusch erwachte, das an einen in unmittelbarer Nähe vorbeifahrenden Zug erinnerte. Im hellen Licht des heraufdämmernden Tages sah sie sich in ihrem Kinderzimmer um: Wo kam nur dieses Geräusch her? Sie war zu Tode erschrocken. Und dann fing das Haus an zu wackeln. Die Deckenlampe mit ihrem rosa Fransenschirm schwang hin und her. Das Buch mit dem Titel Die schönsten Märchen, das auf dem Nachttisch lag, hopste, wie von Geisterhand bewegt, in die Luft, und als es wieder landete, war Der Däumling aufgeschlagen, die Geschichte, die Bo ihr am vergangenen Abend vorgelesen hatte. Ihre Haarbürste und ihre SpielzeugSchminke tanzten auf der Resopalplatte der Spiegelkommode. Ihr Schaukelpferd schaukelte heftig, obwohl es keinen Reiter trug. Ihre Puppen fielen reihenweise vom Regalbrett, als wollten sie in den Teppich eintauchen, und Judy dachte, sie wären plötzlich alle lebendig geworden wie im Märchen. Endlich fand sie ihre Stimme wieder und brüllte, so laut sie konnte: »DADDY!«
    Im Zimmer nebenan hörte sie ihren Vater fluchen. Dann rumpelte es, als seine Füße auf den Boden schlugen. Der Lärm und das Gewackel wurden immer schlimmer, und plötzlich schrie Judys Mutter auf. Bo drückte die Klinke der Kinderzimmertür herunter, doch die Tür ging nicht auf. Wieder rumpelte es: Vater versuchte, die Tür mit der Schulter aufzustoßen, aber es klappte nicht. Sie hatte sich verklemmt.
    Das Kinderzimmerfenster ging zu Bruch; die Glasscherben fielen nach innen und landeten auf dem Stuhl, wo Judys Schulkleider, ordentlich zusammengefaltet, für den Morgen bereitlagen: grauer Rock, weiße Bluse, grüner Sweater mit V-Ausschnitt, marineblaue Unterwäsche und weiße Socken. Das Holzpferd schaukelte nun so wild, daß es umkippte, auf Judys Puppenhaus fiel und das kleine Dach zerschmetterte. In diesem Moment wurde Judy klar, daß das Dach ihres Wohnhauses ebenso leicht zu Bruch gehen konnte. Das gerahmte Bild eines rotwangigen Mexikanerjungen rutschte von seinem Wandhaken, flog durch die Luft und traf Judy am Kopf, so daß sie vor Schmerzen aufschrie.
    Und dann machte sich auf einmal ihre Kommode selbständig.
    Die alte Kommode aus Kiefernholz mit vorgewölbter Front, die ihre Mutter in einem Ramschladen gekauft und weiß angestrichen hatte, besaß drei Schubladen und stand auf kurzen Beinen mit Füßen wie Löwenpranken. Zunächst schien sie rastlos, auf allen vier Beinen, auf der Stelle zu tanzen. Dann ruckelte sie von einer Seite zur

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