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Die Kinder Von Eden : Roman

Die Kinder Von Eden : Roman

Titel: Die Kinder Von Eden : Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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besaß. Was Fernsehen und Videobänder betraf, hatte sich über die Jahre eine Art Puritanismus entwickelt. Verächtlich sah man auf alles herab, was Strom verbrauchte. Wenn er Nachrichten hören wollte, mußte Priest das Autoradio benutzen. Melanies Geräte, deren Akkus sie in der Stadtbibliothek von Silver City an einer Steckdose auflud, die eigentlich dem Staubsauger vorbehalten war, hatten schon viele mißbilligende Blicke auf sich gezogen. Nun, da Dale seinem Ärger Luft machte, nickten mehrere Kommunarden zustimmend.
    Daß Melanie ihr Handy und ihren Computer behalten mußte, hatte natürlich einen ganz besonderen Grund, den Priest Dale allerdings nicht erklären konnte. Dale war kein Reisesser. Zwar war er Vollmitglied der Kommune und lebte schon seit Jahren hier, doch wußte Priest nicht mit Sicherheit zu sagen, ob er dem Erdbebenplan zugestimmt hätte. Es war nicht auszuschließen, daß er ausflippte.
    Priest wurde klar, daß er die Sache schleunigst beenden mußte.Sie drohte, außer Kontrolle zu geraten. Unzufriedene mußten in Einzelgesprächen bearbeitet werden, nicht in der Gruppendiskussion, wo sie sich gegenseitig Schützenhilfe leisten konnten.
    Doch bevor er die Initiative ergreifen konnte, wandte sich Poem an ihn: »Priest, was geht hier eigentlich vor? Verschweigst du uns irgendwas? Ich habe bis heute nicht begriffen, warum ihr beide, du und Star, zweieinhalb Wochen verreisen mußtet.«
    Song, die auf Priests Seite stand, meinte: »Junge, Junge, das ist aber eine ganz schön mißtrauische Frage!«
    Die Gruppe zerfiel, Priest sah es genau. Der Grund lag auf der Hand: Alle glaubten, sie müßten das Tal schon in Kürze verlassen. Von dem »Wunder«, das Priest angedeutet hatte, war weit und breit nichts zu sehen. Alle dachten nur noch an den bevorstehenden Untergang ihrer kleinen Welt.
    »Ich dachte, ich hätte es euch allen erklärt«, sagte Star. »Ein Onkel von mir ist gestorben und hat ein heilloses Durcheinander hinterlassen. Ich bin seine einzige Verwandte und mußte den Anwälten helfen, Licht in das Chaos zu bringen.«
    Jetzt reicht‘s.
    Priest wußte, wie man Protest im Keim erstickt. Mit entschlossener Stimme sagte er: »Ich habe den Eindruck, wir diskutieren in einer unguten Atmosphäre. Stimmt mir jemand zu?«
    Natürlich stimmten ihm alle zu. Die meisten nickten.
    »Was können wir dagegen tun?« Priest richtete den Blick auf seinen zehnjährigen Sohn, ein dunkeläugiges, ernst dreinschauendes Kind. »Was meinst du, Ringo?«
    »Wir können zusammen meditieren«, sagte der Junge. Die gleiche Antwort hätten auch alle anderen gegeben.
    Priest sah sich im Kreis um. »Sind alle einverstanden mit Ringos Vorschlag?«
    Niemand widersprach. »Dann bereiten wir uns darauf vor.«
    Jeder nahm die Haltung ein, die ihm am bequemsten erschien. Einige legten sich flach auf den Rücken, andere rollten sich zusammen wie ein Fötus, ein oder zwei nahmen ihre Schlafposition ein. Priest und mehrere andere blieben mit gekreuzten Beinen sitzen, legten die Hände locker auf die Knie, schlossen die Augen und hoben das Gesicht himmelwärts.
    »Entspannt den kleinen Zeh eures linken Fußes«, sagte Priest mit ruhiger, aber durchdringender Stimme. »Dann den vierten Zeh, dann den mittleren, dann den zweiten, dann den großen. Entspannt den ganzen Fuß … und den Knöchel … und die Wade.«
    Während er Schritt für Schritt alle Körperteile ansprach, senkte sich beschaulicher Friede über den Raum. Die Atemzüge der Menschen verlangsamten sich und verflachten, die Körper wurden ruhiger und ruhiger, und über die Gesichter legte sich allmählich meditative Gelassenheit.
    Zuletzt intonierte Priest langsam und mit tiefer Stimme die Silbe »Om«.
    Und die Gemeinde antwortete einstimmig: »Omm …«
    Mein Volk.
    Möge es ewig hier leben!
Kapitel 6
    Die Konferenz in der Gouverneurskanzlei sollte um zwölf Uhr mittags beginnen. Sacramento, Kaliforniens Hauptstadt, lag zwei Autostunden von San Francisco entfernt. Da sie mit starkem Verkehr auf der Ausfallstraße rechnete, fuhr Judy bereits um Viertel vor zehn zu Hause ab.
    Die rechte Hand des Gouverneurs, Al Honeymoon, war eine bekannte Figur in der kalifornischen Politik. Sein offizieller Titel lautete Kabinettssekretär, doch in Wirklichkeit war er der Mann fürs Grobe.
    Jedesmal wenn Gouverneur Robson sich bemüßigt sah, eine reizvolle Landschaft mit einer neuen Fernstraße zu zerschneiden, wenn er ein Atomkraftwerk errichten, tausend Staatsangestellte entlassen

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