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Die Kinder Von Eden : Roman

Die Kinder Von Eden : Roman

Titel: Die Kinder Von Eden : Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Talsohle durchschnitt. Von einer Straße konnte man allerdings kaum sprechen; es war nicht viel mehr als eine steinige Piste durchs Gebüsch. Obwohl der Boden fast eben erschien, verschwand die Hauptstraße hinter ihnen bald aus dem Blickfeld; nur noch die Oberkanten vorüberfahrender Lastzüge waren zu erkennen.
    Endlich sagte Melanie: »Halt mal an.«
    Priest brachte das Fahrzeug zum Stehen, und sie stiegen aus. Von einem gnadenlosen Himmel brannte die Sonne auf sie herab. Der Barracuda hinter ihnen stoppte ebenfalls. Star und Oaktree stiegen aus und reckten die Glieder nach der langen Fahrt.
    »Schaut mal her«, sagte Melanie. »Seht ihr den trockenen Graben hier?«
    Priest erkannte, daß hier ein Bach, der schon vor langer Zeit ausgetrocknet war, sein Bett durch den felsigen Boden gegraben hatte. Doch an der Stelle, auf die Melanie deutete, endete das Bachbett abrupt, als wäre es durch eine Mauer abgeschottet worden.
    »Seltsam«, sagte Priest.
    »Und jetzt schaut mal ein paar Meter weiter nach rechts.«
    Priest folgte ihrem Zeigefinger. Das Bachbett begann hier ebenso abrupt, wie es zuvor geendet hatte, und setzte sich in Richtung Talmitte fort. Jetzt begriff er, worauf Melanie hinauswollte.
    »Da ist die Verwerfung«, sagte er. »Beim letzten Erdbeben hat eine Seite des Tals ihr Röckchen gehoben und sich fünf Meter weiter wieder hingesetzt.«
    »Ja, so ungefähr.«
    »Und wir wollen jetzt zusehen, daß es noch einmal passiert, stimmt‘s?« fragte Oaktree. Eine gewisse Ehrfurcht schwang in seiner Stimme mit.
    »Wir werden es jedenfalls versuchen«, sagte Priest kurz angebunden. »Und dazu bleibt uns nicht mehr viel Zeit.«
    Er wandte sich an Melanie. »Steht der Laster genau an der richtigen Stelle?« »Ich denke, ja«, sagte sie. »Ein paar Meter mehr oder weniger in dieser oder jener Richtung hier an der Oberfläche dürften in fünf Meilen Tiefe keinen großen Unterschied machen.«
    »Okay.« Priest zögerte.
    Eigentlich sollte ich jetzt eine kleine Ansprache halten.
    »Na, dann fang‘ ich mal an«, sagte er.
    Er stieg wieder ins Führerhaus und setzte sich auf den Fahrersitz. Dann startete er den Motor, der den Vibrator antrieb. Er legte den Hebel um, mit dem die Stahlplatte auf den Boden gesenkt wurde, und stellte den Vibrator so ein, daß er bei mittlerer Frequenz dreißig Sekunden lang zittern würde. Er warf einen Blick durchs Rückfenster der Kabine und überprüfte noch einmal die Anzeigen. Alle Angaben waren normal. Dann nahm er die Fernsteuerung an sich und stieg wieder aus. »Alles bereit«, sagte er.
    Die vier setzten sich in den Barracuda. Oaktree übernahm das Steuer. Sie fuhren zur Hauptstraße zurück, überquerten sie und schlugen sich durch das Gebüsch auf der anderen Seite. Auf halbem Weg eine Anhöhe hinauf sagte Melanie: »Okay, hier können wir bleiben.«
    Oaktree hielt an.
    Priest hoffte, daß man sie von der Straße aus nicht allzu deutlich sah. Falls doch, so konnte er jetzt auch nichts mehr daran ändern. Immerhin fügte sich die dreckverkrustete Karosserie des Barracuda nahtlos ins Braun der Landschaft.
    »Sind wir auch weit genug weg?« fragte Oaktree nervös. »Glaub‘ schon«, sagte Melanie gelassen. Sie empfand nicht die geringste Angst. Priest musterte ihre Miene und erkannte in ihren Augen einen Anflug wahnsinniger Erregung, die beinahe sexuell anmutete. Rächte sie sich jetzt an den Seismologen, die sie abgewiesen hatten? Oder an ihrem Ehemann, der ihr nicht geholfen hatte? Oder gar an der ganzen verdammten Welt? Was immer dahintersteckte – Melanie war in diesem Augenblick wie im Rausch.Sie stiegen aus und starrten auf die andere Talseite hinüber.Vom Lastwagen war gerade noch das obere Viertel zu erkennen.
    »Es war ein Fehler, daß wir beide hierher gefahren sind«, sagte Star zu Priest. »Wenn wir umkommen, hat Flower niemanden mehr.«
    »Sie hat die gesamte Kommune«, erwiderte Priest. »Wir beide sind nicht die einzigen Erwachsenen, die sie liebt und denen vertraut. Wir sind keine Kernfamilie – und dies ist einer der vielen guten Gründe dafür.«
    Melanie verzog ärgerlich das Gesicht. »Wenn die Verwerfung wirklich auf der Talsohle verläuft, wovon wir eigentlich ausgehen können, dann sind wir jetzt eine Viertelmeile von ihr entfernt.« Ihr Tonfall klang, als wollte sie sagen: Schluß jetzt mit dem dummen Geschwätz!
    »Wir werden zwar spüren, daß die Erde sich bewegt, aber von einer Gefährdung kann überhaupt keine Rede sein. Erdbebenopfer werden

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