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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Gelenkt wurde es mit einem einfachen Halfter aus Stricken.
    Hagen presste ihm die Fersen in die Seiten, und das Pony setzte sich in Bewegung. Er blickte nicht einmal zurück.
    Er hatte eine vage Vorstellung davon, dass er sich nordwestlich halten musste. Das größte Hindernis, sagte er sich, dürfte der Fluss sein, den zu überwinden ihnen auf dem Weg hierher selbst die größten Schwierigkeiten gemacht hatte. Er erinnerte sich an die Furt, die er auf dem Hinweg mit dem grauen Hund gequert hatte. Wenn es eine Stelle gab, wo ein Heer hinüber konnte, dann am ehesten dort.
    Die Furt, wo die Wäscherin das Wasser des Flusses rot wie Blut hatte fließen lassen.
    Vielleicht würde diesmal an der Furt wirkliches Blut fließen.
    Er wunderte sich selbst, wie gelassen er war. Vielleicht war es auch nur eine Art Betäubung, ein Schock, der in ihm noch nachwirkte. Dass eigentlich alles vergeblich gewesen war, was er unternommen hatte, so wie der graue Hund zuvor ihm gesagt hatte und Manannán Mac Lir danach: Sie ist nicht hier. Und dass er jetzt eigentlich tot sein müsste. Geblendet, erschlagen, ertrunken. Begraben unter Tonnen von eisigem Wasser. Vielleicht war das der Grund, warum er die Welt so verhalten wahrnahm. Vielleicht lebte er gar nicht mehr.
    Und dennoch fühlte er sich wach wie nie zuvor. Das gefilterte Sonnenlicht, das durch Myriaden feiner Nebeltröpfchen drang, verlieh der unmittelbaren Umgebung eine nie gekannte Schärfe, während es die weiter gelegenen Wälder und Wiesen und die allgegenwärtigen Steinwälle zu scharf umrissenen Flächen in abgestuftem Grau herabdämpfte. Die Welt war schön, stellte er fest, schön wie ein Spinnennetz, in dem der Morgentau glitzert, schön wie eine Schwertklinge, auf der sich das Licht des Tages bricht. Und es war gut, am Leben zu sein.
    Er hätte den Ritt genießen können, wenn er nicht solche Eile gehabt hätte und von solcher Sorge erfüllt gewesen wäre. Er trieb das Pferd an: schneller, schneller! Das Pony setzte über die niedrigen Wälle hinweg wie bei einem Querfeldeinrennen, und Hagen hatte manchmal Mühe, sich auf seinem Rücken zu halten. Doch wenn die Strecke frei war, dann lief es so ruhig wie ein Vollblut-Galopper und so schnell, dass ihm der Wind um die Ohren pfiff.
    Dann endlich sah er den Fluss. Er erkannte ihn schon an dem Dunst, der drüber lag und in Schwaden aus dem Flussbett emporwallte. Das Ufer war umgeben von hohem Schilf. Hagen preschte hindurch.
    Er sah die alte Frau erst, als es zu spät war. Das Pony scheute, bäumte sich auf. Ein Huf traf sie an der Schulter, wirbelte sie halb herum. Hagen versuchte noch, das Tier herumzureißen; es rutschte auf den Hinterbeinen zur Seite und stürzte schwer auf den schlammigen, von spitzen Steinen übersäten Grund.
    Hagen, den Speer wie ein Stabhochspringer in den Boden gestemmt, katapultierte sich vom Rücken des Tieres ins Freie. Er landete auf dem Uferstreifen, rollte sich ab und kam wieder auf die Füße. Das Pferd wieherte schrill. Panik stand in seinen Augen, ehe der Schmerz sie glasig machte.
    Hagen sah sofort, dass es hier nichts mehr zu retten gab. Der grässliche Winkel, in dem die beiden Vorderbeine des Tieres abstanden, ließ nur den Schluss zu, dass sie mindestens einmal gebrochen waren. Knochen stachen weiß aus dem dunklen Fell hervor. Er konnte nur noch eines tun.
    Er hob die Lanze und stach sie dem Pferd tief in den Hals, dass das Blut aufspritzte. Das Tier bäumte sich auf und fiel zuckend zur Seite. Ein zweiter Stoß drang zwischen die Rippen und traf das Herz.
    Hagen wandte sich um, um nach der alten Frau zu suchen, die so plötzlich auf seinem Weg aufgetaucht war.
    Aber so sehr er auch suchte und rief und das Ufergebüsch durchkämmte, es war niemand zu finden.
    Nebel lag über der Welt, als die Krieger der Fianna aus dem Talkessel von Mag Tuired, der Ebene der Grabsteine, wieder hinauf auf das offene Land kamen. Der weite Himmel hing so tief, dass man das Gefühl nicht los wurde, er könnte einem jeden Augenblick auf den Kopf fallen.
    Kein Wunder, dass die alten Kelten sich davor gefürchtet haben, dachte Siggi. Wenn das, was in Asterix steht, wahr ist.
    Er warf, einen Blick auf den Erzdruiden an seiner Seite. »Wohin jetzt?«, fragte er.
    Amergin hob die Hand und wies nach Norden. »Dorthin«, sagte er. »Immer geradeaus.«
    Es war nicht so einfach für eine Truppe von der Größe der kleinen Armee, die Siggi jetzt befehligte, geradeaus zu ziehen. Sie mochten inzwischen um die vierzig

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