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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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ja, hören vielleicht, aber auch verstehen, das war die Frage. Unbeirrt preschten Stier und Kuh weiter. Zorn packte Gunhild, ein Zorn, der sie sogar ihre Vorsicht vergessen ließ. Sie griff nach dem Zügel, der in der Luft peitschte. Wie durch ein Wunder bekam sie einen Riemen zu packen und zog dann die andere Seite zu sich heran. Mit aller Kraft stemmte sie sich ins Geschirr.
    Keine Wirkung. Die beiden Tiere schienen eher noch schneller zu laufen; aus ihrem Rindertrab wurde ein Galopp.
    Gunhild suchte verzweifelt nach Halt. Die Schlaufen auf dem Wagenboden! Jetzt begriff sie endlich, wofür die gut waren. Sie schob ihre Füße hinein. Jetzt konnte sie wenigstens nicht mehr herausgeschleudert werden.
    Und in der Tat, das Rütteln und Stoßen wurde mit einem Mal erträglicher. Und dann hörte es ganz auf.
    Es war unwahrscheinlich. Unter ihnen glitt immer noch der Boden hinweg. Kalkfelsen wurde zu Heideland, Heide zu Gras. Doch Gunhild spürte den Untergrund nicht mehr. Der Wagen glitt dahin wie auf einer ebenen Bahn. Die Räder drehten sich langsamer und langsamer, bis sie schließlich anhielten und im Gegenschwung der Bewegung rückwärts liefen.
    Sie flogen!
    Sie flogen hinauf in den dunstigen Himmel. Unter ihnen das grüne Land: Äcker und Weiden, von weißen Schafen wie von Wolltupfen überzogen; Wege, von Mauern eingefasst, und hier und da ein Gehöft, aus dessen Strohdach Rauch drang. Menschen lebten dort. Doch wenn einer das seltsame Gefährt hörte, das den Himmel durchzog, so sah er nicht auf.
    Die stämmigen Beine der Zugtiere durchwühlten die Luft. Wälder zogen unter ihnen hinweg, Flüsse und Seen und weite Moore. Sie sah Vögel in der Tiefe: Gänse, Stelzvögel und Enten an den Seen, Schnepfen und Fasane in der Ebene, und einmal zog eine Schar von Schwänen unter ihnen hinweg.
    Der Wagen flog nun so hoch oben, dass sich nur noch hier und da durch die ziehenden Wolken Ausblick auf die Landschaft am Boden ergab. Eine Szene folgte der nächsten. Ein flaches Tal, in dem Felsen wie Grabsteine aufragten. Hügelketten, von Buschwerk und Bäumen gesäumt. Ein Hain von Bäumen, in dem rot die Äpfel hervorblinkten.
    Über ihr und um sie herum war nichts als der weite Himmel. Dann senkte sich die Flugbahn wieder. Und Gunhild wusste, tief in ihrem Inneren, ohne dass es dazu eines Wortes bedurft hätte, dass am Ende dieses Bogens der Ort der Entscheidung lag.
    Sie sah das Gewimmel der Menschen, die sich am Fluss drängten, wo an der schäumenden Furt zwei einsame Gestalten miteinander rangen.
    Sie sah den winzigen Punkt am Himmel nicht, der sich in rasendem Flug auf sie zu bewegte.
    »Ich hab’s auch nicht glauben wollen«, sagte Siggi, als sie sich wieder voneinander lösten. Er grinste übers ganze Gesicht. »Ich hab dich im Traum gesehen, weißt du, mit deinem roten Kittel, aber ich wusste nicht genau, ob du es warst. Und dann dachte ich, ich geh das Risiko ein, bevor …«
    Er wandte den Kopf ab. Sein Grinsen erlosch.
    … bevor noch mehr Menschen sterben.
    Er bückte sich zu dem Gefallenen hinab, der immer noch mit dem Gesicht nach unten im Fluss lag, und drehte ihn um. Goll Mac Mornas blicklose Augen starrten in den grauen Himmel.
    »Das habe ich nicht gewollt«, sagte Hagen.
    Die Umstehenden am Ufer murmelten untereinander. Sie wusste nicht so recht, ob sie jubeln oder trauern sollten.
    »Ich glaube, es liegt ein Zauber über diesem Ort«, meinte Siggi. »Amergin nannte ihn ›die Furt der Wäscherin‹, was immer das bedeutet.«
    »Amergin? Der Erzdruide? Du kennst ihn?«
    »Sicher. Er ist hier … Amergin?« Niemand antwortete. »Wo ist der Druide?« Siggi hob die Stimme. »Wo ist Amergin?«
    Aber anscheinend hatte keiner den kleinen Mann gesehen.
    »Er hat die Angewohnheit, immer dann zu verschwinden, wenn es brenzlig wird«, knurrte Hagen.
    »Ich traue dem Alten auch nicht«, meinte Siggi.
    »Aber sag, wie kommst du hierher?«, nahm Hagen seine Frage von vorhin wieder auf. »Gunhild und ich, wir sind durch ein Tor gegangen, auf der Flucht vor den einäugigen Monstern …«
    »… den Fomoriern …«
    »… wie immer sie heißen. Aber du … ich dachte, du seist in Dunvegan Castle.«
    »Ich weiß nicht, wie. Aber ich bin jetzt hier. Weißt du, wo Gunhild ist?«
    Hagen schüttelte den Kopf. »Ich habe sie gesucht, in der Stadt unter dem Meer, wo die Ungeheuer sie hingebracht hatten. Aber sie hat nicht auf mich gewartet. Sie hat es vorgezogen, woanders hinzugehen.«
    »Ich habe auch sie gesehen«, sagte

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