Die Kinder von Erin (German Edition)
lag, und seine Stimme erstarb.
»Das hier ist das Schwert der Macht«, keuchte Siggi und begann ihn wieder zu umkreisen. »Seine Wunden heilen nie.«
»Und das ist der Speer des Sieges«, erwiderte Hagen. »Mit ihm kann man nicht verlieren.«
»Das wollen wir mal sehen!«, meinte Siggi und schlug zu.
Er traf genau in die Kerbe, die Golls Schwert in Hagens Schild geschlagen hatte, und hackte ein weiteres Stück heraus. Der Schild knackte. Hagen stieß mit dem Speer nach, doch Siggi hielt seinen eigenen Schild dazwischen. Die Speerspitze durchbohrte Leder und Holz und verfing sich dann in den Eisenbeschlägen.
Hagen riss seinen Speer wieder heraus. »Gib mir Zeit, bis die Sonne sinkt«, sagte er. »Dann kann ich sowieso nicht mehr, und ihr könnt mich mühelos gefangen nehmen.«
Siggi blickte auf. Bis zum Sonnenuntergang waren es bestimmt noch drei Stunden.
»Die anderen glauben, dass du nur auf Zeit spielst«, erwiderte er. »Und ich glaube das auch.«
Wieder schlug er zu. Hagen hatte den Hieb nicht kommen sehen und konnte gerade noch seinen Schild hochreißen. Die Schwertklinge spaltete den Schild in zwei Hälften, glitt dann am Schildknauf ab und traf Hagen im Heruntersausen am rechten Oberschenkel. Es war kein tiefer Schnitt, aber er tat höllisch weh. Siggi sah es an Hagens schmerzverzerrtem Gesicht. Oder war es Wut, die das Gesicht seines Gegners erfüllte?
Hagen warf die nutzlos gewordenen Stücke des Schildes weg. Er packte den Speer mit beiden Händen und drang auf Siggi ein.
Siggi konnte nur noch zurückweichen. Die Speerspitze schrammte über seinen Schild und riss eine tiefe Furche. Das Ding musste verdammt scharf sein – und härter als gewöhnliches Metall. Ob das Kettenhemd dagegen Schutz bot?
Siggi kam nicht mehr zum Nachdenken. Wieder stach Hagen zu, und Siggi konnte den Speer nur noch mit der Schwertklinge binden. Sie rangen miteinander. Hagen war älter und einen halben Kopf größer, aber Siggi hatte eine Waffe, die sich im Nahkampf besser handhaben ließ.
Er zwang den Speer zur Seite. Einen Moment lang stand Hagen völlig ungeschützt da. Siggi holte aus.
War da ein Schrei?
Sein Blick ging nach oben.
Ein Wagen, der durch die Lüfte flog, gezogen von zwei feurigen Tieren. Und auf dem Wagen – ein Mädchen.
Gunhild.
In diesem Augenblick stieß aus der Höhe des Himmels der Seeadler herab. Die messerscharfen Fänge vorgestreckt, warf er sich direkt in die Bahn des fliegenden Wagens.
»Neeeiiiinnn …«
Der Schrei erstarb auf Siggis Lippen.
Hagen löste die Hand vom Speer.
Im ersten Moment tat es gar nicht weh. Erst kam der Schock, als Siggi den Schaft des Speeres aus seiner Brust ragen sah. Dann erst kam der Schmerz.
Der Schmerz war grauenhaft. Es war, als habe jemand ein glühendes Eisen in seinen Körper gerammt. Doch viel schlimmer noch war, dass er nicht mehr atmen konnte. Er bekam keine Luft mehr. Er erstickte. Seine Lungen waren voll Feuer. Sie brannten. Sie füllten sich mit Blut, das alles verklebte, das in ihm aufstieg wie glühende Lava, ihm in die Kehle rann, in Mund und Nase, Augen und Hirn …
Er hätte nie gedacht, dass Sterben so wehtat.
Dies war es, was die anderen sahen:
Finn, der Weiße, brach in die Knie. Der Speer ragte aus seiner Brust. Blut schoss aus seinem Mund, und er war tot, noch ehe er im Wasser des Flusses aufschlug.
Cúchullin, der Rote, stand wie erstarrt. Sein Gesicht, das noch vor einem Augenblick im Kampfeseifer geglüht hatte, war nun bleich. Er schwankte, als habe ihn und nicht seinen Gegner der tödliche Stoß ereilt. Blut rann aus seiner Schenkelwunde. Dann brach auch er in die Knie, und es sah aus, als knie er nieder, um seinen toten Feind zu ehren.
Dann stürzte der Himmel nieder.
Wie ein fallender Stern raste der Wagen herab, der über den Himmel fuhr, eine breite Spur von Flammen und Rauch hinter sich herziehend. In das Gespann verkrallt die Gestalt eines gewaltigen Seeadlers; seine Klauen kratzten nach den beiden Zugtieren, die in das Geschirr des Wagens gespannt waren. Das eine von ihnen, die braune Kuh, stieß ein schrilles Blöken aus, den Schrei eines gequälten Geschöpfes, als die scharfen Krallen in ihre Augen drangen. Doch das andere, der rote Stier, warf seinen Kopf herum, und seine spitzen Hörner wühlten sich in das Federkleid des Adlers.
Das Mädchen, das auf dem Wagen stand, war weiß wie der Tod; ihr Gesicht war vor Entsetzen verzerrt, die Augen weit aufgerissen, der Mund geöffnet zu einem Schrei, der niemals
Weitere Kostenlose Bücher