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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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Bewusstsein verloren hatte.
    Als sich der Siegestaumel etwas gelegt hatte und Hagen wieder Boden unter den Füßen fand, kam Conall, der als Einziger von der gegnerischen Partei noch geblieben war, über das Feld auf ihn zu.
    »Das war kein schlechter Schlag«, sagte er.
    »Deiner auch nicht«, erwiderte Hagen.
    »Aber nicht gut genug, wie es scheint.«
    »Du bist nicht gerne Zweiter, nicht wahr?« Hagens Stimme war frei von jeder Kritik. Es klang wie eine rein sachliche Feststellung.
    Conalls grüne Augen funkelten. »Wer ist das schon?«
    »Wenn ich nicht Cúchullin wäre«, erklärte Hagen, »wäre ich damit zufrieden, Conall Cearnach zu sein.«
    Die Augen des anderen weiteten sich. »Du … du …« Er wusste nicht, ob er über das Lob glücklich oder erbost sein sollte. »Wenn du willst, tragen wir es gleich hier aus. Es kann nur einen geben.«
    Hagen hob die Hand. »Du hast Mut. Aber ich sag dir eins: Ich werde nicht ewig hier bleiben. Irgendwann, bald, gehe ich dorthin zurück, von wo ich gekommen bin. Und dann braucht der Trupp der Wölflinge einen Anführer, den sie respektieren können. Also, wollen wir solange Freunde sein?«
    Er hielt ihm die Hand hin. Nach nur unmerklichem Zögern schlug Conall ein.
    Als sie zur Burg zurückgingen, sagte Conall: »Du wirst dir wegen Fergus etwas einfallen lassen müssen. Er wird diese zweite Niederlage nicht so einfach hinnehmen. Er ist ein tapferer Krieger, aber ein bisschen beschränkt. Gestern warst du ein Ärgernis, heute bist du sein Todfeind.«
    »Vielleicht sollten wir mit meinem Vater reden«, meinte Follaman.
    Aber es war nicht nötig, den König aufzusuchen. Als sie den Hof erreichten, kam ihnen bereits Felimid, der Barde, entgegen.
    »Kommt mit! Der König erwartet euch in der Halle. Euch alle«, fügte er hinzu.
    »Aber wir haben nichts getan!«, sagte der kleine Erc.
    »Keine Angst«, beruhigte ihn Hagen. »Wir haben Fergus und seine Krieger in einem fairen Wettstreit besiegt.«
    »Das soll der König entscheiden«, sagte der Barde. »Jetzt kommt!«
    Sie traten ein in die hohe, dämmrige Halle. König ConorMac Nessa saß auf seinem Hochsitz; bei ihm war Cathbad der Druide. Ringsum standen die Krieger des Königs. Fergus, in einen Stuhl zusammengesunken, saß auf der Seite und starrte ihnen mit blutunterlaufenen Augen entgegen.



9
Der rote Stier
    Am Morgen nach dem Sturm sah Gunhild zum ersten Mal den roten Stier.
    Sie erwachte, und einen Augenblick wusste sie nicht, wo sie war. Sie lag im Stroh; die Halme pieksten überall, und es umgab sie ein warmer Mief wie von – Kuhstall!
    Plötzlich fiel ihr wieder alles ein. Wie die Alte – die Caillech, verbesserte sie sich – ihr den Kessel zum Aufpassen gegeben hatte und wie sie damit begonnen hatte, die Suppe zu würzen. Nein, berichtigte sie sich erneut. Anfangs mochte das vielleicht wirklich der Grund gewesen sein, aber dann hatte sie geradezu wahllos Kräuter hineingeworfen. Sie verstand selbst nicht, wie sie dazu gekommen war; es war wie ein Rausch gewesen, und doch hatte sie auf einer anderen, tieferen Ebene genau gewusst, was sie tat.
    Und dann war der Sturm gekommen. Als hätte sie ihn hervorgerufen …
    Aber das war Unsinn. Sie richtete sich auf. Im klaren Licht des Morgens war all das, was sie von dem brodelnden Qualm des Kessels in Erinnerung behalten hatte, wie ein böser Traum. Jetzt sah alles einfach und handgreiflich und nüchtern aus. Die braune Kuh muhte leise. Ihr Euter war geschwollen; wahrscheinlich musste sie schon wieder gemolken werden.
    Gunhild stand auf, klopfte sich, so gut es ging, das Stroh und den Dreck aus dem Kleid und trat vor den Eingang des Stalles. Fern im Osten stand die Sonne über dem Horizont: ein feuriger Ball, erst halb geformt, der sich aus den unteren Schichten der Atmosphäre schälte. Und auf einem Hügelrücken, direkt unterhalb, stand der rote Stier.
    Dass er rot war, erkannte sie sofort. Obwohl er eigentlich nur als ein Schatten erscheinen müsste, weil die Sonne hinter ihm stand, schien er aus einem inneren Feuer heraus zu glühen. Nur seine Hufe und die Quaste seines Schwanzes waren schwarz wie die Nacht, und seine Hörner waren weiß wie Schnee.
    Sie sah dies alles mit einer gerade unwahrscheinlichen Schärfe, als hätte sich ein Schleier vor ihren Augen gehoben. Ob es die klare Luft nach dem Regen war, die alle Dinge deutlicher hervortreten lässt, oder ein Rest von Zauber, der noch über der Welt lag? Vielleicht war es auch einfach so, dass der rote Stier

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