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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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er hinzu. Sein Blick ging in der Schmiede umher. »Ich könnte zum Beispiel den Blasebalg bedienen.«
    »Keine leichte Aufgabe. Vielleicht die schwerste von allen. Du darfst nicht aufhören, ehe nicht der letzte Nagel geschmiedet ist.«
    »Also gut«, meinte Hagen. »Packen wir’s an.« Er spuckte sich in die Hände.
    Der Blasebalg war ein monströses Ungetüm, bestehend aus abgewetzten Holzgriffen und ledernen, vielfach gefalteten Bälgen, die mit Nägeln aus Bronze befestigt waren. Eigentlich waren es deren zwei, von denen immer der eine in Tätigkeit war, während der andere neu aufgefüllt wurde. Schon nach wenigen Zügen hatte Hagen eine Art Rhythmus gefunden. Rechts runter, links rauf. Rechts auf, links wieder ab. Und dann das Ganze von vorn.
    Womit er nicht gerechnet hatte, war der Widerstand, den der uralte, massive Mechanismus bot. Er hatte das Gefühl, als wären es ganze Kühe, die er jedes Mal auf der einen Seite aufpumpen und auf der anderen wieder entleeren musste. Das Holz des Gestells und der Griffe war schwarz vom Alter und vom Ruß der Schmiede. Hätte er nicht gewusst, dass ihm die Augen einen Streich spielten, so hätte Hagen fast geglaubt, auch noch Spuren von Salzen und Mineralien in den Maserungen des Holzes blinken zu sehen, wie von getrocknetem Blut.
    Und dann war da die Hitze. Schon bei den ersten Zügen war sie ihm wie ein Lavahauch entgegengewallt. Mit jeder Bewegung der Bälge wurde sie schlimmer.
    Du hast die Feuer von Muspelheim überlebt, sagte sich Hagen, du wirst auch dieses kleine Schmiedefeuer überleben.
    Aber wohl war ihm bei dem Gedanken nicht.
    Der Schmied warf den ersten Eisenstab in die Glut. Schon bald hatte sich das Metall zu einem dunklen Rot verfärbt. Er holte es mit einer Zange heraus. Scheinbar mühelos hämmerte und zog er es zu einer spitzen Form auseinander, mit einer Verdickung am anderen Ende. Den glühenden Nagel warf er in den Wassertrog, dass es zischte.
    »Mehr Hitze!«, sagte er.
    Hagen gab sich Mühe. Die Hitze versengte ihm schon die Haare. Die Zunge hing ihm aus dem Hals, und er bemühte sich verzweifelt, an kühles Wasser zu denken, eine frische Brise, an Schnee auf den Bergen. Vergeblich. Dennoch gelang es ihm irgendwie, das Tempo noch zu steigern. Die Blasebälge ächzten, das Pfeifen der Luft, die daraus entwich, war wie der Vorbote eines Sturms.
    Der zweite Barren simmerte in der Glut. Von Kirschrot über Orangerot wurde seine Farbe immer heller, bis er schließlich in einem hellen Gelb erglühte. Der Schmied fischte sich den Rohling aus der Esse und hämmerte darauf ein. Diesmal schien er mehr Schwierigkeiten zu haben. Das Eisen setzte seinen Bemühungen Widerstand entgegen, wollte sich nicht formen lassen. Doch indem er es aus immer neuen Winkeln anging, zwang er dem Metall seinen Willen auf und brachte es in die erwünschte Gestalt.
    Der Nagel fiel zischend ins Wasser. »Nicht nachlassen!«, sagte der Schmied.
    Hagen hätte liebend gerne eine kleine Pause eingelegt, nur eine winzige Verschnaufpause. Die Zunge lag ihm wie ein toter Brocken Fleisch im Mund, und die Arme taten ihm weh von der ungewohnten Bewegung. Dennoch raffte er seine letzte Kraft zusammen und warf sich in die Bälge. Der Eisenstab im Feuer veränderte seine Farbe. Kirschrot, orangegolden, dann zitronengelb. Geschafft!
    »Mehr Hitze!«
    Hagen glaubte, sich verhört zu haben. Sein ganzer Körper schien zu brennen. Die Hitze, die von der Esse ausstrahlte, schien ihm selbst die Lippen, die Nasenlöscher und die Augen zu versengen, sodass er aus lidlosen Augäpfeln, in denen jede Feuchtigkeit längst verdampft war, auf eine Welt aus Feuer starrte. Sein ganzes Blickfeld verengte sich auf den dritten, den letzten Eisenstab, der in der Esse glühte.
    Es geht nicht, wollte er sagen, aber er hatte keinen Mund mehr, die Worte zu formen. Ich kann nicht mehr.
    Er sah das Bild des grauen Hundes vor sich. Die zurückgezogenen Lefzen schienen zu lachen.
    Hilf mir.
    Der Hund wich zurück.
    Ich kann dir nicht helfen, schien er zu sagen. Hier bist du auf dich allein gestellt.
    Da packte Hagen die Wut. Rote, wabernde Wut. Wut auf die Götter, die immer, wenn ihre eigenen Kräfte versagten, sich Menschen heranholten, um sie über menschliches Maß heraus zu fordern. Und Wut auf sich selbst, weil er sich, geblendet von der Schönheit des Abenteuers, auf ein Spiel eingelassen hatte, dessen Regeln er nicht kannte. Und dessen Preis man ihm verweigerte.
    Doch diesmal wusste er seine heiße Wut zu

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