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Die Kinder von Erin (German Edition)

Die Kinder von Erin (German Edition)

Titel: Die Kinder von Erin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helmut W. Pesch
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halbkreisförmige Öffnung. Hagen musste sich tief bücken, um unter dem Türstein hindurchzukriechen. Als er sich wieder aufrichtete, stand er in einer runden, überkuppelten Kammer.
    Grab! , sendete der Hund in Hagens Bewusstsein. Es war ein komplexes Bild: Dies ist ein Grab, und darin hat man gegraben, und was eingegraben wurde, muss nun wieder ausgegraben werden …
    »Ich soll graben?« Hagen war sich erst bewusst, dass er laut gesprochen hatte, als seine Stimme von den Kuppelwänden widerhallte. »Aber wo? Und womit?«
    Wieder ein Bild: Eine Zeit des Schweigens und der Dunkelheit. Die Tage werden kürzer. Die Sonne ist matt geworden. Kaum hat sie noch Kraft, sich über den Horizont zu erheben. Dort, wo das Dunkel am tiefsten ist, hocken Gestalten. Dumpf, tierisch fast, in Felle gekleidet. Dunst steigt aus ihren Mündern auf, als sie sich in der Kälte gegenseitig zu wärmen suchen. Sie warten. Sie hoffen. Wie jedes Jahr.
    Alles Leben erstarrt. Eisig der Wind. Dunkel die Welt.
    Dann geschieht das Wunder.
    Es ist der Tag der Wintersonnenwende. Ein verirrter Lichtstrahl fällt in den Eingang des Hügels. Durch die ganze Länge des Ganges pflanzt er sich fort, fällt durch das Auge über der Tür und trifft auf eine ganz bestimmte Stelle am Boden der Kammer. Und die Kammer ist erfüllt von Licht, ehe es wieder verblasst.
    Da wissen die Menschen: Die Sonne wird wiederkehren.
    Hier musst du graben.
    Hagen war schon dabei. Im Licht des Stabes, den er gegen die Felswand gelehnt hatte, scharrte er mit bloßen Händen den Boden auf. Der scheinbar gewachsene Fels war nur in der obersten Schicht hart, wie festgetreten, dann erwies sich der Boden als feinkörnige Erde.
    Rasch grub er tiefer. Seine Finger trafen auf etwas Hartes. Behutsam, wie ein Archäologe, der einen Schatz freilegt, arbeitete er weiter. Er sah etwas aufblinken. Es sah aus wie Gold. Dann Edelsteine, die blitzten. Eine Art Plakette: ein Brustschmuck, der Schmuck einer Frau. Er hatte diesen Schmuck schon einmal gesehen.
    Nur hatten das Gold und die Juwelen da geglitzert wie Eis.
    »Das Grab der Macha.« Er hauchte es fast, ehrfürchtig, und plötzlich überkam ihn ein Gefühl der Unwirklichkeit. Was mache ich eigentlich hier? Ich hocke in einer Höhle und öffne ein Grab, mit bloßen Händen?
    Grab! , sprach der Hund. Tiefer!
    Also grub er tiefer. Er spürte Knochen, die unter seinen Fingern zerbröselten. Dann etwas Hartes. Längliches. Behutsam legte er es frei. Hob es auf.
    Eine Speerspitze.
    Sie war von feinster Handarbeit, gegossen aus einem Metall, das er nicht bestimmen konnte, vielleicht Bronze, vielleicht Zinn oder gar Silber oder eine Mischung von alledem. Sie war über und über bedeckt mit feinsten Ziselierungen, Figuren von Kriegern und Fabelwesen, Köpfen, die so verfremdet waren, dass sie aus Bündeln reiner Energie zu bestehen schienen. Es war, als ob die Klinge lebte.
    »Der Speer des Lichts.«
    Er wusste nicht, wer von ihnen beiden es ausgesprochen hatte, er oder der Hund, aber die Worte hallten im Raum und brachen sich an den Wänden, ehe sie unter der Kuppel verebbten.
    »Er braucht noch einen Schaft, dieser Speer«, stellte Hagen fest, und als hätte der Hund das Gleiche gedacht wie er, ging ihrer beider Blick zu dem Stab aus Holz, der an der Wand lehnte. Er hätte genau die richtige Länge und Form dafür.
    Komm!, sagte der Hund wieder und lief voraus zu einer Nische, die Hagen bislang gar nicht aufgefallen war – oder hatte es sie bis jetzt gar nicht gegeben? Dort führte ein weiterer Gang in die Tiefe.
    »Einen Augenblick«, sagte er und bückte sich, um die herausgescharrte Erde wieder in das Loch zu verfüllen. »Immerhin«, fügte er hinzu, »war sie eine Königin. Ich hoffe, sie wird jetzt Frieden finden.«
    Dann folgte er dem Hund in die Düsternis.
    Lang war der Weg, den sie gingen, länger, als Hagen es für möglich gehalten hätte. Allmählich wurden ihm die Füße schwer, wie er seinem vierbeinigen Führer hinterherstolperte. Irgendwann wich der behauene Stein gewachsenem Fels, und der Gang wurde schmaler, sodass er seitwärts gehen musste, die eine Schulter vorgestreckt, die andere nach hinten gebogen. Ein Stück weit mussten sie durch Schlamm waten, und Wasser troff von den Wänden und der Decke, als ob sie unter einem Fluss hindurchgingen. Dann wurde der Fels zu trockenem Erdreich, von Wurzeln durchzogen, und schließlich zu einem schwarzen, glasigen Stein, von einem rötlichen Schimmer überzogen.
    Der Schimmer kam von

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