Die Kinder von Erin (German Edition)
beherrschen, zu kanalisieren, sie in Formen zu gießen wie glühendes Metall. Seine Gestalt verzerrte sich. Rote Arme, von denen die Haut längst hinweggebrannt worden war, griffen nach den schwarz versengten Holmen. Das eine Auge lief ihm über die Wange, das andere schluckte er ein. Die Adern seines Scheitels sammelten sich in der Größe von Kinderköpfen in seiner Nackengrube. Bei der Verzerrung seines Gesichts löste sich die Haut von der Kinnlade. Seine Lunge flatterte in dem frei liegenden Schlund, seine Leber pochte, sein Herz pumpte das Blut in solch rasender Geschwindigkeit, dass es ihm in einem braunen Strahl zum Kopf heraus schoss und ihn wie ein Nebel umhüllte.
Ihr wolltet es heißer. Heißer sollt ihr es haben, heißer als die Feuer der Unterwelt. Heiß wie die Sonne, die alles versengt.
Lauter bliesen die Bälge, heller glühte das Metall.
Ihr habt den Wind gesät, jetzt werdet ihr Sturm ernten.
Die Glut war zu einem reinen Weiß geworden.
Der Schmied brauchte den Stab nicht mehr aus dem Feuer zu holen; mit einem hellen Klingen sprang er aus der Glut. Nur mit Mühe gelang es dem Schmied, ihn überhaupt mit der Zange zu packen. Das Metall zuckte und wand sich wie ein lebendes Wesen. Es sah die Schläge kommen und wich ihnen aus. Funken sprühten. Dann traf der Hammer, einmal, zweimal, dreimal. Die Glut im Innern gebannt, zog sich zurück. Das Wasser zischte.
Hagen stand blicklos, formlos, reglos. Sein ganzer Körper schien aus reinem Feuer zu bestehen, als habe die Glut der Esse alles Vergängliche, alle Schlacke hinweggebrannt und nur der reine Geist sei noch übrig geblieben. Er sah nichts mehr, hörte nichts mehr, fühlte nichts mehr.
Wo bin ich?
Er wusste es nicht.
Grauer Hund, hilf mir, zeig mir den Weg.
Keine Antwort. Er war allein.
Allein …
Doch der Schrecken der Macha hatte seine Kraft verloren. Er hatte die Einsamkeit besiegt, als er vor dem Eingang von Emain Macha mit der Ban-Sidhe gerungen und das Lied der Wölfe gehört hatte.
Doch hier konnten ihm auch seine Freunde nicht helfen. Er musste sich selbst seinen Weg suchen.
Da, war da nicht ein Licht? Ein ferner Punkt, so klein, dass er nicht einmal sicher sein konnte, ob es sich nicht um eine Täuschung der Sinne handelte. Aber welche Sinne galten hier noch? Also bewegte er sich darauf zu. Der Weg war lang, unendlich lang, doch dann wurde der Lichtpunkt größer, wuchs rasend schnell und er taumelte …
… und stolperte hinaus in die grelle Mittagssonne.
Geblendet kniff er die Augen zusammen und wandte sich um. Vor ihm lag das Hügelgrab von Emain Macha. Nichts Geheimnisvolles war mehr daran. Drei Stufen führten hinein. Drinnen war nichts als dunkler, hartgestampfter Erdboden. Dann, nach zwei, drei Schritten, endete der Weg vor einer tonnenschweren, senkrecht stehenden Platte aus unbehauenem Stein.
Der graue Hund war nirgendwo zu sehen. Doch dann hörte Hagen ein Geräusch, das von jenseits des Grabes kam.
An einem der Tragsteine, die den Eingang säumten, hockte eine Gestalt.
Fergus, war Hagens erster Gedanke. Ist er doch noch zurückgekehrt?
Aber nein, das war nicht der Recke des Königs. Es war ein kleiner, verhutzelter alter Mann, der in das Sonnenlicht blinzelte, als sei er soeben aus einem tiefen Schlaf erwacht. Er trug ein langes blaues Gewand, das am Hals mit einer Fibel geschlossen war, die an einen Eichenkranz erinnerte, aber aus Gold gefertigt war.
Der Fremde räusperte sich. »Ich muss eingenickt sein«, knurrte der Fremde. Er sah Hagen an. »Und du, mein Freund«, fuhr er fort, »hast deine Zeit, wie ich sehe, produktiv verbracht.«
Sein Blick ging zu etwas, das Hagen in der Hand trug. Es war ein Speer, mit einer blitzenden Klinge, deren Hülle mit drei schweren Eisennägeln fest mit einem langen, grünen Schaft verbunden war.
Hagen räusperte sich. Er wusste nicht, ob er seiner Stimme noch trauen konnte.
»Und wer bist du?«, sagte er.
Der Alte legte den Kopf schief wie ein Vogel, als er überlegte. »Du kannst mich Amergin nennen.«
12
Der Flug der Krähe
Seit dem Augenblick, als sie in ihrem Traum die Mórrigan gesehen hatte, wie diese mit ihren Händen den Himmel rot färbte, dachte Gunhild nur noch an eines: an Flucht.
Es war kein wilder Gedanke. Sie wusste, dass sie es gut planen musste, wenn sie überhaupt eine Chance haben wollte, von diesem Ort wegzukommen. Sie war in einem fremden Land – in einer fremden Welt, korrigierte sie sich –, und sie hatte von dieser Welt und ihren Bewohnern
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