Die Kinder von Estorea 01 - Das verlorene Reich
Heer der Konkordanz.« Ihm war klar, dass nur relativ wenige Leute seine Ansprache hören konnten, da der Regen auf den Boden und die Helme prasselte, aber seine Worte würden sich rasch herumsprechen. »Wir sind die Vorhut. Vor uns liegt jungfräuliches Gebiet. Soweit ich weiß, hat noch keiner von euch eine Jungfrau hinter sich zurückgelassen.«
Heisere Stimmen jubelten, und Gelächter breitete sich aus, als seine Worte Manipel für Manipel die Runde machten. Roberto führte sein Pferd in die Mitte der Linie und blieb stehen, um seine in drei Reihen aufgestellten Legionäre zu betrachten.
»Wir haben unsere Befehle. Dies ist das Jahr, in dem wir unserem Gegner den entscheidenden Schlag versetzen, damit Tsard vor Gott und der Advokatin das Knie beugt. Hier ist eine größere Belohnung zu erringen als die Beute, die wir schon gemacht haben. Dieses Mal wird es der Sieg uns allen erlauben, nach Hause zurückzukehren.«
Abermals ertönten Jubelrufe, dieses Mal lauter als zuvor. Die Soldaten schlugen mit Speeren und Piken an die Schilde.
»Aber das müsst ihr euch verdienen. Achtet euren Feind und kämpft mit aller Kraft. Schützt eure Freunde. Disziplin, Ehre, Sieg.«
Sie waren bereit. Jetzt konnten sie nur noch warten.
So warteten sie. Sie warteten den ganzen regennassen Tag lang, verhöhnten den Feind, täuschten Ausfälle und kleine Vorstöße an und konnten doch keinen einzigen tsardonischen Krieger oder Pfeil von den Hängen über ihnen anlocken. Roberto ließ sie bis zum Spätnachmittag stehen, und als die Wolken sich endlich auflösten, marschierten sie in die untergehende rote Sonne hinein zum Lager zurück.
So ging es vier Tage lang. Die Truppe der Konkordanz zeigte Stärke, Geschicklichkeit und Kampfbereitschaft, während die tsardonischen Krieger auf den sicheren Hängen johlten, riefen und sogar sangen. Sie wussten genau, dass Roberto seine Legionen nicht zu ihnen heraufführen würde. Die größere Reichweite der gegnerischen Bogenschützen stellte ein Problem dar, und das wollte er nicht noch dadurch vergrößern, dass er bergauf angriff. Er hatte schon daran gedacht, seine Bailisten vor die Armee zu stellen, doch das war eine Taktik, die ihm nicht behagte. Sie störten den Vormarsch der Soldaten, und die Gefahr, dass sie beschädigt wurden oder verloren gingen, war groß. Letzten Endes war dies aber möglicherweise der einzige Weg, die Feinde herauszulocken.
Er hatte sogar einen Marsch nach Süden vorgetäuscht und sofort herausgefunden, dass die Feinde sie ziehen lassen würden. Der Bericht eines Spähers hatte ihm am Abend die Erklärung dafür geliefert. In siebzig Meilen Entfernung zogen sich weitere tsardonische Truppen zusammen. Wenn er marschierte, hätte er den Feind zugleich im Rücken und vor sich. Das war gewiss kein Weg, denn er einschlagen wollte.
Am Abend des vierten ereignislosen Tages war Roberto durch sein Lager geschritten und an Kochfeuern stehen geblieben, um in die Lieder und das Geschichtenerzählen einzustimmen. Schließlich hatte er das Gebet bei Tisch und auf der Wiese des Ordens angeführt. Auf dem Feldzug hatten sie kein Haus der Masken, aber das war kein Grund, ihre Bräuche zu vergessen. Die Gebetswiese wurde in großen Stücken auf drei Wagen befördert und vor dem Zelt des Sprechers ausgelegt, sobald sie ein Feldlager aufschlugen. In den letzten Tagen war das Gras dank der Sonne und des Regens gut gediehen, und sein Pferd hatte darauf geweidet. Ein gutes Omen für die kommenden Ereignisse.
Später speiste er allein in seinem Zelt und ging die Berichte seiner Zenturionen, des Quartiermeisters, der Ärzte und der Tierärzte durch. Die Truppe war bei bester Gesundheit, und so bereitete er einen Bericht für Gesteris an der Ostfront vor, bat um Neuigkeiten und erzählte von seinem ersten Kontakt mit dem Feind. Neben seiner linken Hand dampfte ein Becher mit süßem Tee, und rechts stand eine Schale mit Kaninchensuppe auf dem überfüllten Tisch.
»Darf ich dich kurz sprechen, General?«
Er schaute auf. Sein erster Baumeister stand in der Tür. Rovan Neristus war ein schüchterner Mann mit schütterem Haar und von schmächtigem Körperbau, dem das Leben auf einem Feldzug überhaupt nicht gut bekam. Es war nicht klar, wie er so lange hatte überleben können, aber Roberto empfand jeden Tag als Segen. Oft hatte Roberto erklärt, dass er zwar der General sei, dass aber Neristus als letzter Mann seines Heeres sterben sollte. Er winkte ihn herein.
»Was kann ich für
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