Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
griff Kastenas’ Kavallerie erneut an.
Auch die gesternische Verteidigung sammelte sich zu einem neuen Angriff, aber die Tsardonier waren offenbar entschlossen, nicht weiter zurückzuweichen. Bald würde die Zuversicht der konkordantischen Truppen einen Dämpfer bekommen, falls es Mirron nicht gelang, die brennenden Steine der Wurfmaschinen aufzuhalten. Jhered war zuversichtlich, dass Roberto letzten Endes siegen würde. Die Frage war nur, welchen Preis er dafür bezahlen musste.
Als er rechts ein Geräusch hörte, fuhr er sofort herum. Dort bewegte sich jemand. Er zog den Gladius aus der Scheide und hob den Schild. Am liebsten hätte er Mirron fortgeschleppt, aber dazu war keine Zeit mehr, und nachdem sie begonnen hatte, hatte sich sein Pferd ein Stück entfernt. Vielleicht hatte sie noch Zeit, das zu tun, was sie tun wollte, bevor sie beide getötet wurden. Nicht einmal er konnte sich gleichzeitig gegen sechs Gegner behaupten.
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848. Zyklus Gottes, 2. Tag des Dusasauf
15. Jahr des wahren Aufstiegs
D avarov, wir müssen zu ihren Geschützen durchbrechen«, rief Roberto.
Der atreskanische Schwertmeister war gerade blutüberströmt und grinsend aus vorderster Front zu seinem wartenden General zurückgekehrt. Er bemühte sich nach Kräften, verlegen dreinzuschauen, konnte aber seine Freude über den siegreichen Kampf nicht verhehlen.
»Wir haben sie schon so gut wie besiegt, Roberto. Ich kann es spüren«, meinte Davarov.
»Gut möglich. Wir unterhalten uns später darüber, warum du es für nötig gehalten hast, die Lage aus solcher Nähe zu begutachten.« Roberto hielt inne. Über ihnen zischten Onagergeschosse vorbei und zogen Flammen und Rauchfahnen hinter sich her. Sie schlugen hinter seinen vorderen Linien und gefährlich nahe bei seiner eigenen Artillerie ein. »Sie werden gleich die Reichweite korrigieren. Ich will nicht mehr Treffer einstecken als unbedingt nötig.«
Davarov nickte. »Was soll ich tun?«
»Nimm die Triarii von der nördlichen Reserve, dazu vier Manipel der Klingen von Haroq, und verstärke sie mit den Principes der Falken. Du musst an ihrer Flanke durchbrechen. Die Kavallerie wird dich decken. Stoße zu den Katapulten vor und schalte sie aus.«
Davarov lächelte und setzte sich in Bewegung.
»Noch etwas, Davarov«, sagte Roberto. »Wenn du schon ganz vorne mitreiten musst, dann bemühe dich wenigstens, nicht zu sterben, ja?«
»Heute ist nicht der Tag, an dem ich sterbe«, erwiderte Davarov.
Er rannte hinter den Linien entlang, die fest und zuverlässig standen. Gleich darauf feuerten Neristus’ gestohlene Onager ihre brennenden Steine, die Rauchfahnen durch die Luft zogen. Davarov betete, dass jeder ein Dutzend Tsardonier zerschmettern möge. Am nördlichen Ende der Front hörte er wieder die wilden Kampfgeräusche. An den Flanken waren Kavallerieeinheiten unterwegs und hielten sich gegenseitig davon ab, die Infanteristen anzugreifen. Beide Seiten wollten einen Durchbruch erzwingen. Nur eine war wirklich überzeugt, dass es ihr gelingen würde.
Davarov befahl mit lauten Rufen seine wichtigsten atreskanischen Zenturionen zu sich. »Manipel zu mir. Setzt eure Principes in den Manipeln als Reserve und zur Flankenverteidigung ein. Los jetzt, los.«
Er lief weiter an der Linie entlang und suchte den Kommandanten der Kavallerie an der Flanke. Auch dieser Mann war ein Atreskaner, der zu Haroqs Klingen gehörte. Er beobachtete den Kampf der berittenen Verbände, die beide nach einer Lücke oder einem kleinen Vorteil suchten, den sie ausnutzen konnten. Wieder flogen Onagergeschosse durch den bewölkten Himmel und schlugen zehn Schritte vor der Artillerie der Konkordanz ein. Zu nahe.
»Hauptmann Cartoganev.«
»Meister Davarov?« Cartoganev sah ihn unter dem Helm hervor an. »Was ist? Ich habe zu tun.«
»Ihr habt gleich noch mehr zu tun«, knurrte Davarov. »Wir nehmen uns die Geschütze vor. Ich brauche Euch, um die Steppenkavallerie von meiner Infanterie abzuhalten.«
»Das kommt mir wie gerufen«, sagte Cartoganev.
»Sehr witzig.«
»Überhaupt nicht. Meine Truppen stehen hier stark unter Druck, Meister Davarov.«
»Dann müssen wir die Feinde schnell zerschmettern. Wenn wir unsere Katapulte vorrücken lassen, dann können wir das erreichen.« Davarov zuckte mit den Achseln und lächelte. Hinter ihm stellten sich die Manipel auf. »Roberto hat es befohlen. Was wollt Ihr machen?«
Cartoganev starrte über seinen Kopf hinweg ins Leere und räusperte sich.
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