Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
ihrer Pferde. Eine Abteilung berittener Schwertkämpfer stürzte sich ins Getümmel und zwang die Feinde, kehrtzumachen und sich neu zu formieren.
Er blickte nach hinten. »Komm schon, Rovan, lass die Geschosse fliegen.«
Hoffentlich schlugen die Steine ohne Gegenfeuer ein. Von der Festung her kamen weiterhin rauchende und brennende Geschosse geflogen, aber es waren nicht genug, um die Moral der Tsardonier zu erschüttern. An der rechten Flanke unterstützten inzwischen die Principes den Vorstoß der Konkordanz. Mitten dazwischen führte Davarov seine Manipel in die Lücke, die die Kavallerie aufgerissen hatte. Die Tsardonier machten kehrt, um sie einzukesseln.
»Bogenschützen, zielt hinter die Frontlinie. Sofort.«
Der Befehl wurde weitergegeben. Die Pfeile flogen in hohem Bogen und verschwanden. Die Feinde kamen in Bewegung, die Konkordanz setzte nach. Ein Schritt nur, der aber eine große Bedeutung hatte.
»Sie ziehen sich zurück«, rief er seinen Zenturionen und allen anderen zu, die es hören konnten. »Sie machen kehrt.«
Jetzt ließ auch Rovan Neristus seine Steine durch den grauen Himmel fliegen. Roberto verfolgte die Flugbahn, bis sie mitten in der tsardonischen Reserve einschlugen, die sich gerade zur Verteidigung formierte und in Sicherheit wähnte.
»Jetzt nicht mehr«, sagte Roberto. »Jetzt nicht mehr.«
Auf Befehl der Zenturionen schlossen die konkordantischen Legionen die Schilde zu einem Wall. Flaggen wurden gesenkt, Horn-Signale ertönten. Die Soldaten stürmten der geschwächten feindlichen Linie entgegen. Disziplin. Ordnung. Sieg.
Er hätte schwören können, dass Davarov irgendwo da draußen die gleichen Worte rief. Roberto lächelte. Vielleicht hatten sie Glück und konnten die Konkordanz doch noch retten.
Admiral Gaius Kortonius, der Oberste Seeherr der Ocetanas, atmete die kalte Seeluft ein, die von Nordwesten her über die Hochebene der Insel Kester fegte und das erste Eis des Dusas mit sich brachte. Überall waren die Anzeichen der neuen Jahreszeit zu erkennen. Vor fünf Tagen hatte es mehrmals gehagelt, im Palast der Ocetanas toste das Hypokaustum, der Nebel klammerte sich zäh an die Felsen, dass man keine zweihundert Schritte weit übers Meer blicken konnte.
Normalerweise war es Kortonius’ liebste Jahreszeit. Er war an den Gestaden des Tirronischen Meeres in einem kleinen Fischerdorf nördlich von Port Roulent zur Welt gekommen und ein stolzer caradukischer Seemann. Seit seiner Kindheit beobachtete er schon den wallenden Nebel, der ihn heute wie damals faszinierte.
Stille breitete sich über der Insel und dem Meer aus, wenn der Dusas begann. Die Einkehr, so nannten die Ocetanas diese Zeit, wenn der größte Teil der Flotte in den gewaltigen Höhlen unter der Hochebene vor Anker lag und die Mannschaften daheim bei ihren Familien sein und den Seegöttern danken konnten, worüber die Kanzlerin vor frommer Wut fast geplatzt wäre.
Aber nicht in diesem Dusas. Die Invasion, falls es denn eine war, hätte zu keinem ungünstigeren Zeitpunkt kommen können. Schon die normalen Aufgaben der Marine waren schwierig und erforderten ihren vollen Einsatz. Alles beruhte jedoch darauf, dass es im Dusas erheblich ruhiger wurde. Kortonius hatte getan, was er konnte. Die meisten Einheiten der Ocenii und mehr als die Hälfte der Kriegsschiffe verbrachten auf der Insel ihre Winterpause.
Nur die Schiffe, die zur Erkundung eingesetzt wurden, und die schnellen für den Angriff vorgesehenen Triremen waren noch draußen unterwegs. Sie mussten den Norden des Tirronischen Meeres gegen die abtrünnige atreskanische Marine sichern, sie mussten im ganzen Osten und im Westen, besonders in Estorr, die Küsten decken und südlich der Insel die Durchfahrt blockieren. Ganz zu schweigen von den Schwierigkeiten in die Gorneonbucht und an der tundarranischen Küste.
Zu viele Schiffe waren viel zu lange auf See gewesen. Wenn aber die Berichte aus Gestern zutrafen, dann waren die Tsardonier aus der Bucht von Harryn aufgebrochen. Ein kühner Schritt, da zum Wechsel der Jahreszeit im Süden von Gestern stets schwere Stürme tobten. Kortonius würde sie aufhalten. Niemand glaubte ernsthaft den Berichten über die Größe der feindlichen Flotte.
Er wandte sich vom Balkon ab und trank seinen gesüßten Kräutertee aus. Das Frühstück ruhte angenehm in seinem ansehnlichen Bauch, und jetzt wurde es Zeit für die Ertüchtigung, die ihm sein verdammter Arzt verordnet hatte, damit die Blutgefäße nicht
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