Die Kinder von Estorea 02 - Der magische Bann
Skiona kann sie aufhalten«, sagte Roberto. Er unterbrach sich, als ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief, und betrachtete noch einmal die Markierungen im Tirronischen Meer. »Wo ist die tsardonische Flotte?«
»Wir haben über die Flaggen der fest stationierten Schiffe eine Botschaft von Kester bekommen. Die Tsardonier sind schon dort«, flüsterte sie und sah sich um, ob auch niemand lauschte, der es nicht hören sollte. »Fünfhundert Segel.«
»Fünfhundert …« Roberto wurde fast schwindlig.
»Die Ocetanas können sie nicht aufhalten. Sie haben die Flagge mit dem Kreuz gehisst, was bedeutet, dass sie einer Blockade ausgesetzt sind. Wenn das tsardonische Heer die Küste erreicht, wird die Flotte schon warten, um die Truppen nach Estorr zu bringen. Es ist zu spät, wir haben verloren.«
»So dürfen wir nicht denken«, widersprach Jhered. »Roberto, ich habe dich gewarnt, dass dies geschehen könnte. Wir können sie stellen.«
Roberto sah sich um, seine Gedanken rasten; er konnte die Bilder eines in Flammen stehenden Estorr nicht abschütteln.
»Selbst wenn sie nicht blockiert werden, hat Kortonius höchstens dreihundert Schiffe auf der Insel.« Jhered starrte die Karte an. »Wir müssen Truppen übers Meer bringen und schneller als sie in Estorr sein, wenn wir sie in Gestern nicht aufhalten können.«
»Aber womit?«, fragte Katrin. »Wir haben nicht genügend Schiffe, um alle zu befördern.«
»Du musst nach Norden gehen, Roberto«, sagte Jhered. »Neratharn braucht Verstärkung.«
»Warum? Damit wir den Tsardoniern später die Ruinen von Estorr wieder abnehmen können?«, fauchte Roberto verzweifelt. »Damit wir die Leiche meiner Mutter abholen und der Erde übergeben können?«
»Ja, wenn das alles ist, was wir tun können«, sagte Jhered. Der Schatzkanzler riss die Augen weit auf. »Wir können nur das einsetzen, was der Allwissende uns gibt. Die Konkordanz kann ohne Estorr überleben. Sie kann auch überleben …«
»… ohne die gegenwärtige Advokatin«, brachte Roberto den Satz zu Ende.
Jhered ließ den Kopf ein wenig sinken. »Ja«, sagte er leise. »Falls es dazu kommen sollte.«
Bedrückt schwiegen sie. Robertos Blick wanderte über die Karte, ob sich nicht doch noch eine Lösung fände. Ihm war übel.
»Weiß sie, was kommen wird?«, fragte er.
»Die Meldung müsste Estorr ebenso erreicht haben wie uns. Wir unterrichten sie auch über die tsardonische Armee, die zur Küste marschiert.«
»Es spielt keine große Rolle«, sagte Roberto. »Sie wird nicht fortgehen.« Er lächelte, während ihm die Tränen in die Augen schossen. »Meine Mutter ist störrisch. Früher habe ich das für eine ihrer größten Stärken gehalten.«
»Das gilt auch heute noch«, sagte Jhered.
Roberto hob eine Hand, um Jhered zu unterbrechen. »Ich hätte nie gedacht, dass ich so etwas einmal sagen würde, Paul. Ich hätte nie gedacht, dass ich meine ganze Hoffnung auf drei Vierzehnjährige und einen Steuereinnehmer setze, auch wenn es der oberste ist. Ein Segel gegen Hunderte.« Er fasste Jhered bei den Schultern. »Rette Estorr, rette meine Mutter.«
Die Zeit der Einkehr wurde von den verzweifelten, wilden Geräuschen des Krieges unterbrochen. Grollend hallten die Einschläge der Geschosse durch die Kasematten der Insel Kester. Ruderer, Matrosen und Marinesoldaten drängten sich in den Gängen vor den unterirdischen Quartieren und eilten zu den Molen.
Karl Iliev, Trierarch des Siebten Kommandos der Ocenii und Geschwaderkommandant seines Truppenteils, pochte frustriert gegen den Rumpf seines Spornkorsaren und kehrte zur Wand zurück. Die Seetore waren wegen des Angriffs geschlossen. Selbst für die Elite der Ocetanas wäre es einem Selbstmord gleichgekommen, jetzt in den Hafen hinauszurudern.
Durch die Luftlöcher beobachtete er das Ende der wenigen konkordantischen Schiffe, die hatten auslaufen können, bevor die tsardonische Flotte die Verteidiger gezwungen hatte, die Seetore zu schließen. Verdammt sei dieser Nebel. Verdammt sei Ocetarus für seine Launenhaftigkeit. Verdammt seien sie selbst wegen ihrer Nachlässigkeit.
Iliev packte das Gestänge des Tors und betete für diejenigen, die gefallen waren. Acht Segel gegen die zehnfache Übermacht, so sah es draußen an der äußeren Hafenmauer aus. Er schauderte bei dem Gedanken, wie viele Gegner wohl noch draußen im Nebel verborgen waren.
Eine Bireme hatte es nicht einmal bis ins offene Wasser geschafft. Ein Stein, gedacht für die
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