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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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ächzende Knurren einer verlorenen Seele.

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    8
    Niemand wusste etwas Genaues. Die einen sagten, man habe mit Babette nun endlich den Keim allen Übels ausfindig gemacht, die anderen beharrten darauf, dass ein einziges Weib niemals für all die Gräuel verantwortlich sein könne, die aus der einst so blühenden Stadt den Vorhof zur Hölle gemacht hatten.
    Mit der Festnahme Babettes meldeten sich unerwartet Zeugen zu Wort, mit denen man vorher nicht hatte rechnen können.
    Da war der vom Schicksal schwer gebeutelte Stadtrat Bauth, der seit seiner Geburt einen verkrüppelten Arm besaß. Er beschuldigte seine Amme, dass sie ihn als Kind über dem Feuer rösten wollte und dabei seinen Arm so schwer verletzt hatte, dass selbst der Teufel von seinem Anblick angewidert war.
    Und da war Meister Grimms verkommener Sohn Cornelius. Schon als Kind konnte niemand seiner Herr werden, worüber die Eltern verzweifelten. Sein tollwütiges Gemüt habe er sich im Kindbett zugezogen, so sagten sie, als Babette ihn für ein paar Tage mit in die Waldhütte genommen hatte.
    Schließlich gab es noch Hortensia, die Frau des angesehenen Schulmeisters Paulus. Sie war einmal mit Babette über die rechte Aufzucht von Kindern in Streit geraten. Seitdem konnte ihr Mann aus unerfindlichen Gründen kein Kind mehr zeugen. Sein Teil sei wie tot, lamentierte sie, und selbst unter größter Hingabe für den Akt nicht mehr zu gebrauchen. Die böse alte Hexe wolle es ihr auf diesem Weg heimzahlen, sie habe das Geschlecht ihres Mannes verhext.
    Als Dürr klarwurde, wie weit die Schandtaten, die man Babette vorwarf, zurückreichten und welche Dimension das Ganze dadurch erhielt, musste er umgehend handeln. Wenn die Hexe nur jeden fünften Säugling, der durch ihre Geburtshände gegangen war, dem Teufel geopfert hatte, war das eine Zahl, die er sich gar nicht vorstellen mochte. Noch in der Nacht hatte er Bischof Ehrenberg vom Stand des Verfahrens berichtet. Der war von der Niedertracht und der Bosheit des alten Hexenweibs derart erschüttert, dass er kraftlos in den Sessel sank.
    «Es gibt keinen Zweifel?», fragte er Dürr.
    «Nein, gnädigster Fürst. Ich habe alles überprüft. Manch einem Zeugen habe ich gar mit der Folter gedroht, wenn er falsche Angaben macht.»
    «Und es war niemand darunter, der das vermaledeite Weibsbild in Schutz nehmen wollte?»
    «Nicht eine Seele.»
    «Warum haben sich die Zeugen nicht früher gemeldet? Es sind doch Jahre vergangen, seitdem sie von der Amme verführt wurden.»
    «Es ist die Angst, die ihnen die Zunge lähmt. Erst als sie hörten, dass das schändliche Weib im Kerker sitzt, haben sie den Mut gefunden, über ihr Schicksal zu sprechen.»
    «Bloße Rache an einem alten, schutzlosen Weib ist auszuschließen?»
    «Bislang ja.»
    Der Bischof seufzte. Wenn er sich vorstellte, welches Unheil dieses Weib über sein Land und seine Untertanen gebracht hatte, wurde ihm schwindelig. Er griff nach einem Becher Wein und leerte ihn. Dann klingelte er nach seinem Diener, neuen Wein aufzutragen. Mit ihm trat ein weiterer Mitstreiter des Bischofs ins Audienzzimmer. Es war der Hexenkommissar Doktor Faltermayer.
    «Was schaut Ihr so betrübt, gnädiger Herr», fragte Faltermayer. «Ist Euch etwas Unangenehmes widerfahren?»
    Der Bischof wollte die Frage nicht beantworten. Mit einem Wink forderte er Dürr auf, seinen Bericht zu wiederholen.
    Während Dürr dies tat, folgte Faltermayer aufmerksam den Ausführungen seines Kollegen, während er sich einen Becher Wein nahm. Dass er sich das erlauben durfte, hatte er der besonderen Gnade seines Bischofs zu verdanken, der mit ihm einen erfahrenen Hexenjäger gefunden hatte. Vor vier Jahren war er mit den besten Referenzen nach Würzburg gekommen, nachdem er eine Hexenepidemie im Hohenlohischen erfolgreich bekämpft hatte.
    «Daher schlage ich vor», sprach Dürr und kam damit zum Ende seines Berichts, «nicht länger auf den nächsten Brandtag zu warten, sondern eine schnelle Lösung zu finden.»
    Der Bischof nickte bedächtig. Doch bevor er seine Entscheidung kundtat, holte er den Rat Faltermayers ein.
    «Was meint Ihr, Meister Faltermayer. Soll ich der Empfehlung Eures fleißigen Kollegen folgen?»
    Faltermayer, groß an Statur und mit vollen schwarzen Haaren, die ihm bis zur Schulter reichten, war das auffallende Gegenstück zu dem schmächtigen, frühzeitig ergrauten Dürr. Er hätte genauso gut in einer Uniform auf einem Pferd sitzen können, um die Truppen in die

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