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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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spitzfindige Hexenkommissar hinauswollte. Wenn Kathi noch mehr von sich, den anderen Kindern und Babette preisgab, leistete sie jeder weiteren Anklage auf Hexerei Vorschub.
    Auf der anderen Seite hatte der Hexenkommissar die Macht, Babette von der Folter und dem sicheren Tod zu bewahren. Was sollte sie nur tun?
    Die Entscheidung wurde ihr abgenommen. Babette bäumte sich unter Schmerzen ein letztes Mal auf, ihre dürren, abgemagerten Arme spannten sich, um schließlich erschöpft von der Qual vom Leben zu lassen. Ein heiseres, kraftloses Stöhnen beendete das Martyrium. Ihr stierer Blick verlor sich im Nichts.
    «Herr», sagte einer der Folterknechte, der das Seil hielt, an dem Babette baumelte, «ich glaube, das Hexenweib ist tot.»
    Faltermayer reagierte überrascht. «So schnell? Dann müssen wir beim nächsten Mal eine bessere Mischung zubereiten.» Er sah den Apotheker Grein an, der pflichtbewusst nickte.
    Kathi stand wie versteinert da. Sie starrte wie gelähmt auf den toten, geschundenen Körper ihrer lieben Amme. Alles Leben war mit einem Mal in ihr erloschen. Eines der Kinder, die um das Kalkloch standen, nahm ihre Hand und begann zu beten.
    «Gegrüßest seist du, Maria …»
    Doch Kathi wollte keines dieser Worte hören. Keine Maria, kein Josef und kein Jesus waren Babette beigestanden. Wozu waren sie nütze, wenn sie nicht einmal der gnädigsten Seele, die es je auf Erden gegeben hatte, helfen konnten?
    Dieser bitteren Einsicht und der Erkenntnis, was diese Mörder angerichtet hatten, folgte ein Gedanke, den sie bei all der Leere, die in ihr war, nicht einordnen konnte. Dieser Gedanke war groß, und sie spürte, dass er die einzig mögliche Antwort auf dieses Verbrechen war.
    Sorgsam blickte sie sich um und prägte sich jedes einzelne Gesicht dieser verfluchten Mörder ein.
    Dafür werdet ihr büßen.

[zur Inhaltsübersicht]
    10
    Was für ein scheinheiliges Weibsbild diese Felicitas Dornbusch doch war. Seit über einer Stunde kniete sie auf den harten Holzbänken der Reuererkirche und betete für das Seelenheil ihrer lebensunfähigen Bastarde. Es musste ausgerechnet diese Kirche sein, die der Unbeschuhten Karmeliten, die erst vor einem Jahr das leerstehende Kloster übernommen hatten und deren Weg zu Gott besonders asketisch und aufopferungsvoll war. Die Ritter-Kapelle am Markt oder die Domkirche waren der feinen Dame anscheinend nicht mehr gut genug.
    Was fand Christian nur an diesem Weib, fragte sich Grit, die sie von der Tür aus beobachtete. Felicitas war blass und dürr. Selbst eine klapprige alte Ziege, die keine Milch mehr gab, war schöner anzusehen als dieser vorzeitig ergraute Sauertopf. War es wirklich der Einfluss ihrer Familie und das Geld, das Christian an sie band? Er verdiente viel mehr, als dieser fahle Spuk ihm bieten konnte.
    Wieso legte er sich noch immer jede Nacht zu Felicitas ins Bett, wenn er stattdessen sie haben konnte? Es war ihr unbegreiflich. Dieses Weib hatte ihn verhext, so musste es sein.
    Nachdem sich das eingebildete Lehrmädchen des Apothekers geweigert hatte, ihr einen passenden Trunk zu brauen, hatte sie sich an ein anderes kräuterkundiges Weib gewandt. Sie war nur einen Tag in der Stadt gewesen, bevor sie Hals über Kopf vor den Hexenjägern hatte flüchten müssen. Doch dieser Tag hatte ausgereicht, um das Geschäft abzuwickeln.
    Grit solle Felicitas das Elixier auf die Haut oder in die Haare schütten, hatte die alte Hexe gesagt. Die Kleider würden notfalls auch genügen, falls sie ihr nicht nah genug käme. Das Elixier werde seinen Weg schon finden.
    Es befand sich in einer kleinen Flasche, nicht größer als ein Daumen, und schimmerte giftig grün. Wenn Grit das Elixier anwendete, sollte sie ein Zauberwort sagen, etwas, das wie
Anisapte
klang. Dadurch würde Felicitas’ Liebeszauber von Christian genommen, und Grit hätte freien Weg.
    Nun wollte sie nicht länger warten, Felicitas konnte noch ewig auf der Holzbank knien. Grit ging den langen Gang zwischen den Kirchenbänken hindurch, leise und vorsichtig, bis sie hinter der Knienden angekommen war. Felicitas bemerkte sie nicht. Zu sehr war sie in das Zwiegespräch mit ihrem Heiland vertieft.
    Grit holte das Fläschchen aus der Tasche und nahm den Korken ab. Sie schaute sich um. Außer ihr und Felicitas war niemand in dem großen Kirchenschiff zu sehen, außer in einem der Seitenaltäre vielleicht. Von hier aus konnte sie diese nicht einsehen. Aber sei’s drum. Das Risiko musste sie eingehen. Eine bessere

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