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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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mich hinter einem Strauch versteckt.»
    «Warum?»
    «Weil ich zu viel Angst hatte.»
    «Davon hast du vorhin aber nicht gesprochen.»
    Richtig. Wieso eigentlich nicht? Sie wählte die naheliegende Erklärung.
    «Verzeiht mir, Herr. Ich war zu aufgeregt.»
    Misstrauisch beobachtete Dürr sie eine Weile. Dann entschied er sich, Grit zu befragen, während Kathi in diesem Raum zurückbleiben musste. Er war gespannt, wie Grit seine Fragen beantworten würde.
    «Hast du Kathi auf dem Schalksberg gesehen?», fragte er sie streng.
    «Ja, Herr.»
    «Was hat sie dort getan?»
    «Nichts. Sie war einfach nur dort.»
    «Du lügst.»
    «Nein, Herr. Ich würde Euch niemals belügen.»
    «Sie sagt, du hättest Unzucht mit dem Teufel getrieben.»
    «Das stimmt nicht.»
    «Dann lügt sie also.»
    «Sie muss mich verwechselt haben.»
    «Wie soll das möglich sein?»
    «Ich meine, sie muss mich mit einer anderen Frau verwechselt haben.»
    Jetzt hatte er sie. Er grinste abfällig. «Und wer sollte das bitte schön sein?»
    «Felicitas Dornbusch. Das Eheweib des Stadtrats Christian Dornbusch.»

[zur Inhaltsübersicht]
    13
    Die Bürger der Stadt verstanden es als unmittelbaren Angriff des Bösen auf ihre Nachkommenschaft. Sie waren wie erstarrt und fragten sich: Konnte es etwas Abscheulicheres und Verdammungswürdigeres geben, als Kindern die Aussicht auf Erlösung und Eingang ins Himmelreich zu verwehren?
    Die Nachricht vom nächtlichen Hexenflug hatte sich in Windeseile verbreitet. Erstmals waren Kinder von Hexen entführt und zum Hexensabbat gebracht worden. Dort wartete bereits der Teufel auf die unschuldigen Seelen. Wer sich ihm nicht unterwarf, sah seinem baldigen Ende entgegen.
    Daher richtete sich der Zorn vornehmlich der Bürgerinnen und Mütter weniger auf den Teufel selbst als auf seine Gehilfinnen, die Hexen, die diese unverzeihliche Grausamkeit durch ihre Gier erst ermöglichten.
    Umso mehr traf es sie, dass eine Hauptverantwortliche für den Frevel nicht irgendein niederträchtiges und rachsüchtiges Weibsbild sein sollte, sondern ausgerechnet Felicitas Dornbusch, die für ihre Gläubigkeit, ihre Demut und ihre Mildtätigkeit im Kinderheim von vielen bewundert, von manchen gar verehrt wurde.
    Da fragte man sich schnell, wer diesen Vorwurf denn erhob. Als die Antwort lautete, es handle sich um Grit, die Dirne aus dem Stachel, waren sie im ersten Moment erleichtert. Ein leichtfertiges Schankmädchen besaß keine Glaubwürdigkeit, und erst recht nicht, wenn sie eine wie Felicitas Dornbusch beschuldigte.
    Im zweiten Moment jedoch erhob sich eine Welle des Protestes gegen das schamlose Weibsbild. Durfte so ein Mensch ungestraft eine angesehene Bürgerin der Hexerei bezichtigen?
    Die Empörung schwappte bis in den Rat der Stadt und in die bischöfliche Kanzlei. Die einen forderten eine öffentliche Züchtigung der Dirne, andere zogen es vor, die Anschuldigung bis auf Weiteres unerwidert zu lassen.
    Nur einer sprach sich für Grit aus – der Vikar Ludwig, was ihm eine Rüge seines vorgesetzten und insgeheim verschmähten Pfarrers einbrachte. Er habe seine Unterstützung für die Dirne sofort einzustellen, hieß es, andernfalls brauche er sich keine Hoffnung mehr auf die angestrebte vollwertige Pfarrstelle zu machen. Zähneknirschend unterwarf sich Ludwig der Anordnung.
    In der allgemeinen Empörung gingen die drei Hexenvorwürfe, die Kathi ausgesprochen hatte, fast unter. Nur die Betroffenen und deren Familien waren in heller Aufregung. Wer war dieses Kind, das solche todbringende Anschuldigungen erhob? Wir kennen sie doch überhaupt nicht, sagte man sich, und sie uns auch nicht. Warum also tat sie so etwas?
    Diese Fragen beschäftigten auch ihre Mutter Helene. Als sie am Morgen erwacht war und ihre Tochter nicht im Bett vorgefunden hatte, führte ihr erster Weg zu Apotheker Grein. Von ihm erfuhr sie, dass Kathi schon seit Tagen nicht mehr in die Lehre kam; er habe sie hinausgeworfen, nachdem sie ihn bei der Kalkgrube bloßgestellt hatte. Mit dem Balg werde es noch ein schlimmes Ende nehmen, prophezeite er. Am besten sei es, sie in ein weit entferntes Kloster zu schicken. Dort, unter der strengen Aufsicht der Nonnen, solle sie lernen, was Demut und Dankbarkeit bedeuteten.
    Helene irrte daraufhin durch die Stadt, doch niemand wollte Kathi gesehen haben, selbst ihre Freunde Barbara und Otto nicht. Erst als sie vom Hexenflug der vergangenen Nacht erfuhr, wusste sie, wo sie Kathi finden würde.
    Der Malefizschreiber beruhigte sie.

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