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Die Kinderhexe

Die Kinderhexe

Titel: Die Kinderhexe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roman Rausch
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ausgefahren sein.»
    Kathi erschrak. Ihr Blick huschte hinüber zu Ulrich, Benedikt und Ursula. Hatten auch sie einen Hexenflug vorgegeben? Dem sonst aufmerksamen Dürr war Kathis überraschte Reaktion nicht aufgefallen, Faltermayer schon. Er stand im Hintergrund und beobachtete. Als sie seinen Blick spürte, glaubte sie zu erröten.
    «Aber nur dieser eine Junge zeigt körperliche Anzeichen einer Verwandlung. Wie kommt das?»
    Er ging vor der Reihe auf und ab, als inspiziere er Gefangene aus dem Kerker.
    Zaghaft hob Ulrich seine steife Hand. «Seht, Herr», sagte er, «auch mir hat die Hexe Schaden angetan.»
    Dürr wandte sich ihm schon fast väterlich zu. «Richtig», sagte er, «deine Hand sieht nicht gesund aus. Was ist mit ihr geschehen?»
    «Die böse Hexe Babette hat mir das angetan», platzte es aus Ulrich heraus. «Letzte Nacht, als sie mich vom Schalksberg zurück in die Stadt brachte, verhexte sie sie mir mit einem Zauber.»
    «Lügner», ging Vikar Ludwig dazwischen. «Deine Hand sieht schon länger so aus.»
    «Verzeiht, Hochwürden», wehrte er sich, «aber so schlimm ist es erst seit letzter Nacht. Ich kann die Finger nicht mehr bewegen. So seht doch.»
    Er versuchte, seine Hose zu greifen, aber die Finger glitten immer wieder ab.
    «Wieso sollte dir die Hexe das angetan haben?», fragte Dürr.
    «Damit ich nicht verrate, wen ich auf dem Schalksberg gesehen habe. Erst später will die Hexe den Zauber wieder rückgängig machen.»
    «Und wen hast du auf dem Schalksberg gesehen?»
    «Meinen Meister und sein Eheweib.»
    «Auch ihre Kinder?»
    «Nein, Herr, nur die beiden.»
    «Was haben sie dort gemacht?»
    «Sie tanzten nackt um ein Feuer.»
    «War an dem Feuer irgendetwas außergewöhnlich?»
    «Ja, Herr. In den Flammen sah ich Kinder von Neumünster.»
    «Lebendig oder tot?»
    «Lebendig. Mein Meister und sein Weib wollen aber nicht eher Ruhe geben, bis sie alle Kinder der Stadt zum Teufel auf den Schalksberg gebracht haben.»
    «Was will denn der Teufel mit ihnen anstellen?»
    «Sie sollen ihm zu Diensten sein.»
    «Wozu?»
    «Als Kämpfer für sein Reich.»
    «Du meinst, sein Reich des Bösen?»
    «Ja, Herr, denn das Ende ist nah.»
    Kathi glaubte ihren Ohren nicht zu trauen. Das, was Ulrich da vorbetete, war nichts anderes, als was sie im Unterricht bei Vikar Ludwig gelernt hatten, vermischt mit dem, was sie sich sonst über Himmel und Hölle zusammenreimten.
    Dürr wandte sich Benedikt zu. Der hatte den Darstellungen seines Freundes aufmerksam zugehört.
    «Was hast du letzte Nacht erlebt?»
    Benedikt zögerte keinen Moment. Er stotterte und würgte, wie es Kathi niemals zuvor bei ihm erlebt hatte. «Ich … lag … im … Bett …» Dabei zog er die rechte Schulter hoch, als würde er nur mit ihrer Hilfe die Worte aus seinem Mund pressen können.
    Kathi blickte hinüber zu Vikar Ludwig. Würde er das Narrenspiel durchschauen? Schließlich kannte er Benedikt gut und wusste um dessen Fähigkeit, sich der Wahrheit zu entziehen.
    Doch davon war nicht auszugehen. Er klebte regelrecht an Benedikts Lippen und hörte staunend all das, wovor er die Kinder immer gewarnt hatte. Es war offensichtlich: Der Teufel hatte die Jagd auf die Kinder eröffnet. Wer nicht fest im Glauben war, würde sich seines Einflusses nicht entziehen können und für immer verloren sein.
    Kathi war mit ihren Gedanken nicht alleine. Sie spürte, wie Faltermayer sie unablässig beobachtete. Was hatte er vor? Er verhielt sich ruhig und abwartend, achtete aber auf jede ihrer Gefühlsregungen. Würde er schwerer zu beeindrucken sein als Dürr?
    Nachdem Benedikt seinen Meister aus der Drechslerei im Bunde mit dem Teufel gesehen haben wollte und nahezu wörtlich wiederholt hatte, was Ulrich zuvor über die Kinder im Feuer gesagt hatte, war Ursula an der Reihe. Kathi war gespannt, was ihre Freundin zu berichten wusste.
    Von Aussehen und Geruch des Mädchens angeekelt, ging Dürr auf Abstand und hielt sich ein Taschentuch vor den Mund. «Du scheinst mir direkt aus dem Schlund der Hölle zu kommen», sagte er.
    «Verzeiht, Herr», antwortete sie mit gesenktem Haupt. «Dort, wo ich war …»
    «Schon gut», erwiderte er, um die Befragung schnell hinter sich zu bringen. «Von dir haben wir schon gehört, was dir letzte Nacht widerfahren ist. Kannst du bestätigen, was die beiden uns berichten?»
    Sie nickte. «Ja, Herr, als ich am Feuer vorbeikam, sah ich Männer und Weiber tanzen. Unter ihnen war auch ein Spielmann, der die Flöte

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