Die Kindes des Todes - Inspektor Rebus 14
erraten, und ich seines.« »Hat er es geschafft?« »Er ist mir drei Tage lang damit auf die Nerven gegangen, ständig kam er mit einer neuen Idee an.«
Siobhan hatte den linken Arm mit dem Ellbogen auf den Tisch gestützt. Sie schloss die Hände zur Faust und legte ihren Kopf darauf. Womöglich würde es ein langes Telefonat werden, ein Gespräch, das für Kate wichtig war.
Erinnerungen an Derek.
»Hatten Sie denselben Musikgeschmack wie er?« »Um Himmels willen, nein. Das Zeug, das er hörte, war mir zu kopflastig. Er blieb stundenlang in seinem Zimmer, und wenn man zu ihm rein ging, saß er gedankenverloren im Schneidersitz auf dem Bett. Ich habe ihn ein paar Mal in Diskos in der Stadt mitgeschleppt, aber er sagte, er fände solche Läden deprimierend.« Erneutes Schnauben. »Wussten Sie, dass er einmal verprügelt worden ist?« »Wo?« »In Edinburgh. Ich glaube, seitdem blieb er lieber zu Hause. Er war ein paar Typen über den Weg gelaufen, denen sein >schnöseliger< Akzent nicht gefiel. Von denen gibt's viele. Wir sind alle Snobs, weil unsere Eltern stinkreich sind und uns auf die Privatschule schicken. Sie sind alle Prolls und werden später arbeitslos sein... damit fängt alles an.« »Fängt was an?« »Die Aggressionen. Ich erinnere mich, dass wir in meinem Abschlussjahr in Port Edgar einen Brief bekamen, in dem uns >geraten< wurde, in der Stadt keine Schuluniform zu tragen, es sei denn, wir befänden uns auf einem Ausflug mit der ganzen Klasse.« Sie stieß einen langen Seufzer aus. »Meine Eltern haben jeden Penny dreimal umgedreht, damit wir auf die Privatschule gehen konnten. Vielleicht war das sogar der Grund für ihre Trennung.« »Da irren Sie sich bestimmt.« »Bei ihren Streitereien ging es oft um Geld...« »Trotzdem...« Einen Augenblick war es still in der Leitung. »Ich habe viel im Netz herumgesucht.«
»Wonach?« »Nach Erklärungen... ich habe wissen wollen, wieso er das getan hat.« »Sie meinen Lee Herdman?« »Es gibt ein Buch von einem Amerikaner. Er ist Psychiater, glaube ich. Wollen Sie wissen, wie es heißt?« »Wie denn?« »Bad Men Do What Good Men Dream. Glauben Sie, da ist was Wahres dran?« »Dafür müsste ich wahrscheinlich erst das Buch lesen.« »Wenn ich es richtig verstanden habe, behauptet er, dass wir es alle in uns tragen, das Potential für... na ja... Sie wissen schon.« »Ich kenne mich mit so etwas nicht aus.« Siobhan dachte noch immer an Derek Renshaw. Dass man ihn verprügelt hatte, war eine weitere Sache, über die Siobhan in seinen Dateien bisher nichts gelesen hatte. Geheimnisse über Geheimnisse ...
»Kate, dürfte ich Sie etwas fragen...?« »Was?« »Derek litt doch nicht an Depressionen, oder? Immerhin hat er zum Beispiel gerne Sport getrieben.« »Ja, aber wenn er zu Hause war...« »Hat er am liebsten in seinem Zimmer gesessen?«, riet Siobhan. »Mit seinen Jazz-CDs und dem Internet.« »Irgendwelche Netz-Adressen, die er besonders oft besucht hat?« »Er war Mitglied in ein paar Foren und Chatgroups.« »Lassen Sie mich raten: Sport und Jazz?« »Hundert Punkte.« Einen Moment herrschte Stille. »Wissen Sie noch, was ich über Stuart Cotters Familie gesagt habe?« Stuart Cotter: das Unfallopfer. »Ja, ich erinnere mich.«
»Haben Sie mich deswegen für verrückt gehalten?« Kate bemühte sich, dabei munter zu klingen. »Wir werden der Sache nachgehen, keine Sorge.« »Ich habe es nicht so gemeint. Ich glaube eigentlich nicht, dass Stuarts Familie... dass sie so etwas tun würde.« »Ich verstehe schon.« Erneut herrschte Stille in der Leitung. »Haben Sie wieder aufgelegt?« »Nein.« »Gibt es noch etwas, worüber Sie reden möchten?« »Ich sollte Sie jetzt weiterarbeiten lassen.« »Sie können mich jederzeit anrufen, Kate. Wann immer Sie wollen.« »Danke, Siobhan. Das ist sehr nett von Ihnen.« »Tschüss, Kate.« Siobhan beendete das Gespräch und starrte erneut auf den Bildschirm. Sie drückte mit einer Faust gegen ihre Jackentasche, spürte den Umriss des Briefumschlags. C.O.D.Y.
Plötzlich kam ihr das nicht mehr so wichtig vor. Sie machte sich wieder an die Arbeit, schloss das Notebook an eine Telefonbuchse an, gab Dereks Passwort ein und bekam einen Batzen E-Mails, von denen sich die meisten als Spam-Mails oder Sport-Newsletter entpuppten. Ein paar stammten von Absendern, deren Namen sie aus dem Archiv-Ordner kannte. Es waren Freunde, denen Derek wahrscheinlich nie von Angesicht zu Angesicht begegnet war, Freunde aus fremden Ländern,
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