Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)

nach Hause gefahren. Das ist die Wahrheit. Aber die wollte mir Ramona nicht glauben. Stattdessen wurde ein riesen Fass aufgemacht. Daraus folgt: Lügen haben Beine wie Nadja Auermann. Die Wahrheit dagegen hinkt schlimmer als der berühmte Vergleich.

Frauen sind eifersüchtiger als Männer, und Männer gehen häufiger fremd. Zwei Tatsachen aus der Statistik, die meiner Meinung nach allerdings beide auf einen anderen Umstand zurückgehen: Männer lügen. Das unterscheidet sie zwar kein bisschen von Frauen, aber Männer lügen anders. Schlechter.
    Und bestimmte Männer (= Rainer) lügen noch dazu aus vollkommen unsinnigen Gründen, sie sagen zum Beispiel: »Ich fahr kurz Blumenerde kaufen, bis gleich.« Und wenn man (= ich) fünf Stunden später anruft und fragt, ob alles in Ordnung ist, hört man im Hintergrund ein fünfstimmiges »Jetzt schiiieß doch, du Mongo!!!«
    Rainer tat sogar noch ganz verwundert, weil er schließlich immer samstags bei Möhre mit den Jungs Bundesliga guckt. Warum ich denn da jetzt so ein Fass aufmache? Ich war sauer. Hätte er mir das vorher gesagt, stünde ich mit Nicole in der Stadt und nicht mit kalt gewordenem Essen in der Küche.
    Ich hob mir die Vorwürfe für später auf und beschwerte mich bei Nicole über das miese Verhältnis der Männer zur Wahrheit. Nicole war ein guter Zuhörer für solche Geschichten, denn ihr Jochen hatte ihr vorgelogen, dass er sie liebte und keine andere wollte. Dann kam allerdings raus, dass er seit über einem Jahr regelmäßig mit der Kellnerin aus dem Abseits vögelte. Ist nur aufgeflogen, weil die Kellnerin Nicole ein Kompliment machte, für die lockere Art, mit der sie und Jochen ihre »offene Beziehung« führten.
    Jochen hatte also nicht nur Nicole angelogen, er hat auch noch seine Affäre angelogen, dass er seine Freundin nicht anlog. Männer denken offenbar, sie können ihre Frauen so behandeln wie Politiker ihre Wähler. Klar, dass der weibliche Teil des gemeinsamen Freundeskreises im Wie-dreist-geht’s-eigentlich-noch?!-Schockzustand mit Nicole litt, während der männliche Teil Jochen anerkennend auf die Schulter klopfte. Das erzählte mir Rainer später, wobei er natürlich die einzige Ausnahme war und Jochens Verhalten »ganz, ganz scheiße« fand.
    Aus diesem Anlass hatten Rainer und ich ein sehr langes Gespräch übers Lügen. Welche Lügen okay sind, beziehungsweise wünschenswert (»Du hast abgenommen« respektive »Dein Penis ist länger geworden!«) und welche nicht (alle anderen). Vor allem versuchte ich Rainer klarzumachen, dass ich nur dann anstrengend werde, wenn er mich anlügt, und er sich den Teil meiner Persönlichkeit also prima sparen kann, wenn er das einfach sein lässt.
    Frauen geben Männern am Anfang einer Beziehung einen Vertrauensvorschuss. Sie sind gutgläubig wie die Indianer, die auf die ersten weißen Siedler trafen. Jede Unwahrheit nimmt von diesem Vorschuss etwas weg, bis das Vertrauen ins Minus rutscht und die Männer Glaubwürdigkeitsinsolvenz anmelden müssen. Dann ist die Frau entweder weg, oder sie trägt dicken Schmuck. Dicker Schmuck bei älteren Frauen ist meist kein Zeichen von eigener Karriere, sondern von schlechtem Gewissen des Mannes.
    Rainer hatte sich am Anfang unserer Beziehung ein paar Mal mit seiner Exfreundin getroffen, und zwar heimlich. Ich bin deswegen nicht ausgetickt.
    Ich hätte noch nicht mal was gesagt, hätte Rainer nur ein Mal die Eier in der Hose gehabt, mich zu fragen: »Meine Ex will ’n Kaffee mit mir trinken, ist das okay für dich?« Ich will jetzt nicht so tun, als hätte ich ihm dann 20 Euro zugesteckt und gesagt »Macht euch ’nen schönen Tag!« Aber ich hätte eben auch nicht gesagt: »Du bleibst schön mit deinem Arsch zu Hause!« Lang und breit hab ich ihm das erklärt. Frauen wollen in einer Beziehung gerne so rüberkommen wie New York: cool, weltoffen, tolerant. Das durchzuhalten ist allerdings schwer, wenn der Mann sich verhält wie Bielefeld.
    Ich dachte also eigentlich, das Thema wäre bei uns ein für alle mal geklärt. Bis Rainer mir die Geschichte von Günters Beerdigung erzählte. Günter war Rainers bis dahin nie erwähnter »alter Schulfreund«, und dieser angebliche Schulfreund war, noch angeblicher, beim Renovieren in eine Bohrmaschine gefallen und jetzt tot. Der arme Günter. Darum könne Rainer leider nicht bei meiner Mutter Geburtstagsfreude heucheln, sondern müsse bei Günters Mutter Beileid heucheln. Ob das okay für mich wäre, hängte er auch noch