Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)
Ramona und ich mussten hin. Natürlich kam mit dem ersten Sekt die Frage: »Und? Was ist mit euch und heiraten?«, und schon stand ich da und musste mich erklären.
Auf einer Hochzeit kann man leichter für Tierversuche sein als gegen die Ehe. Dass fast fünfzig Prozent aller Ehen scheitern, sagte ich trotzdem, worauf die Trauzeugin feststellte, dass fast hundert Prozent aller Menschen sterben, was mich ja auch nicht davon abhalte, es trotzdem mit Weiteratmen zu versuchen. Ramona sah so aus, als amüsierte sie sich ähnlich gut wie Felix Magath bei einer Heimniederlage. »Ich bin einer von denen, die zwar ohne Trauschein glücklich sein können, ohne Alkohol aber nicht fröhlich«, versuchte ich erfolglos abzulenken, nur um mir von dem mit dem Alkoholausschank beauftragten Quadratarschloch entgegenbrüllen zu lassen: »Und? Was ist mit euch?«
Ich vertrat daraufhin vehement meine Lieblingsthese für solche ›Gespräche‹: Jede Frau sollte mehrere Männer haben, einen richtigen und einen, mit dem sie zu Doofmannsveranstaltungen wie Musicals, Designer-Outlets und Hochzeiten gehen kann. Das kam wiederum beim Vater der Braut nicht gut an, der mir detailliert erzählte, was ihn allein das Buffet gekostet hatte. Aus Rache erklärte ich ihm, dass Bärlauch bei Garnelen ein ähnlicher Fehlgriff sei wie Wolfgang Lippert bei Wetten dass?! Bevor wir das ausdiskutieren konnten, drückte mir der Bräutigam ein Bier in die Hand, brüllte mich an: »Und? Was ist mit euch?«, dieses Mal erweitert um die Feststellung, so jung sei ich ja weiß Gott auch nicht mehr und ob ich ernsthaft erwartete, noch mal was Besseres als Ramona zu finden.
Die Frage schien auch Ramona interessant zu finden. Ich konterte mit der Gegenfrage, ob er denn einen Ehevertrag gemacht habe, falls nicht, solle er sich vorsorglich schon mal ein paar Bärlauchgarnelen vom Buffet eintuppern, denn nach der Scheidung reiche sein Geld nur noch für Brot und Wasser. Aus dem Hintergrund kreischte die Braut in unsere Richtung: »Und? Was ist mit euch?«
Wie auf einer Beerdigung ging es nur noch um die Frage »Wer ist wohl der Nächste?«, und hier hatten sich alle stillschweigend auf mich verständigt. So viel Gruppendruck gab es zuletzt, als Peter Gerlach aus der 5a in der großen Pause eine Marlboro Menthol rumgehen ließ. Damals wie heute hielt ich dem Druck stand.
Ramona sah hoffnungsloser aus als ein Mörder auf dem elektrischen Stuhl. Ich erinnerte sie daran, dass wir beide doch nichts peinlicher fänden als die Hartz IV-Mongos, die bei Kai Pflaume für ihren Partner »My heart will go on« singen, weil der Mann trotz Schulden und missratener Dauerwelle bei ihr geblieben ist oder sie ihm die Treue gehalten hat, obwohl er mit zwölf ihrer besten Freundinnen in der Kiste war. »Öffentliche Zuneigungsbekundungen finden wir doch beide doof«, salbaderte ich, worauf Ramona trocken wie das Buffet-Baguette erklärte, zwischen Kai Pflaume und dem Nichts gebe es auch noch einen Mittelweg, den ich aber ohne Navi offenbar nicht fände. Dann ging sie.
Deswegen, ganz öffentlich, an dieser Stelle: Ramona, wir gehören so untrennbar zusammen wie Eierkuchen und Friede und Freude, wie Baader und Meinhof, wie Fish und Chips, wie Romeo und Julia. Verstehst du, Ramona? Ich liebe dich.
Zu Hochzeiten, Kindern und Arztbesuchen müssen die meisten Männer gedrängt werden. Frauen wissen das und haben im Laufe der Jahrhunderte Strategien dafür entwickelt.
Ich gehöre nicht zu den Frauen, die schon als Mädchen ihrer Barbie ein Taschentuch aufgesetzt und Traumhochzeit gespielt haben. Ich habe auch nie von einem wallenden Kleid und einer weißen Kutsche geträumt, und bei dem Gedanken, dass Kinder mit Reis nach mir werfen, bekomme ich eher Angst als Glücksgefühle. Ich bin definitiv nicht Frau Gollum, die ihr ganzes Leben dem einen Ring gewidmet hat. Mit Rainer und mir läuft es auch ohne amtlichen Stempel, und ich habe nicht ein einziges Mal rumgemumpft, dass ich zeitnah von ihm geehelicht werden will. Von daher verstand ich Rainers Genöle auch nicht, als Frank und Jasmin uns zu ihrer Hochzeit einluden.
Gut, es war die vierte Hochzeit in diesem Sommer, und ja, irgendwann ist jede Hochzeit wie die davor. Aber, erklärte ich Rainer, ich bin nun Mal Anfang dreißig, und in meinem Freundeskreis heiraten jetzt alle. »Aus dem gleichen Grund, aus dem deine Verwandten jetzt alle sterben: Es ist an der Zeit.«
Das war von meiner Seite aus überhaupt nicht vorwurfsvoll gemeint. Ich
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