Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)
Natur das, wo man durch muss, bis man wieder einen Parkplatz, Altglascontainer, Obdachlosen oder ein anderes Zeichen von Zivilisation sieht. Natur ist scheiße und macht Heuschnupfen. Trotzdem habe ich, zum Beispiel, selbstverständlich Ramonas Eltern angelogen, dass auch ich den Bayrischen Wald für eine feine Sache halte, ebenso wie ihr geliebtes Camping. Dabei ist Camping das englische Wort für Flüchtlingslager. Selbst Indianer wohnen nicht mehr in Zelten. Aber eine kurze Lüge ersetzt eine lange Diskussion, entsprechend war ich also Camping-Fan, um es mir mit den »Schwiegereltern« nicht zu verderben. Die Eltern zu erobern ist oft kriegsentscheidend im Kampf um die Frau, und dabei sind Lügen die stärksten Waffen.
Lügen sind auch das Fundament für ein Weiterkommen im Beruf. Die Wahrheit hat in der Kernarbeitszeit keinen Platz. Meetings sind Treffen von Lügnern, die nur stattfinden, um sich gegenseitig anzulügen. Aber Ramona will ja auch, dass ich Karriere mache, und lacht jedes Mal, wenn ich erzähle, wie ich meinem Chef vorgelogen habe, dass er eine gute bzw. eigene Idee hatte.
Auch im privaten Bekanntenkreis ist die Wahrheit wie ein Fondue-Set: Man macht höchstens ein oder zwei Mal im Jahr Gebrauch davon. Ich habe auf Partys von Freunden das Essen gelobt, die Wohnung und das Kind, auch wenn alle drei komplett missraten waren. Ich habe pflichtgemäß gelogen, dass ich mich riesig über den Sushi-Kurs zum Geburtstag gefreut habe, ich habe, ohne mit der Wimper zu zucken, behauptet, dass meinem Kumpel Möhre die langen Haare gut stehen. Und das sind nur Beispiele aus der letzten Woche. Ramona lügt bei ihren Freundinnen noch schlimmer.
Die Lüge ist überall. Schon meine Eltern haben mich angelogen – zum Beispiel, dass es den Weihnachtsmann gibt oder dass ich ein Wunschkind war. Bestimmt hat Ramona mir im Bett Orgasmen vorgelogen. Laut einer Studie tun das vier von fünf Frauen, und Ramona ist immer bei der Mehrheit. Sie hat also angefangen mit dem Lügen. Frauen lügen ohnehin mehr als Männer, das ist wissenschaftlich bewiesen. Ein Push-up-BH belügt die Männer über die Brüste der Frauen, Botox lügt ein paar Jahre vom Gesicht, und High Heels täuschen Größe vor, wo keine ist. Und das sind nur die Äußerlichkeiten.
Deswegen verstehe ich die Aufregung um die Beerdigung vom Günter nicht. Günter ist bzw. war ein alter Schulfreund, der blöd beim Renovieren in seinen Bohrer gefallen ist. So weit die Geschichte, die ich Ramona erzählt habe. Sie stimmt – nur dass ich mit Günter seit zwanzig Jahren nichts mehr zu tun hatte und deswegen halt auch nicht bei seiner Beerdigung war, sondern bei Frau Peukert.
Frau Peukert arbeitet bei uns in der Kantine und strömt dort Erotik aus, selbst wenn sie dir dicke Bohnen auf den Teller häuft. Sie hat zwei tätowierte Tatzen im Dekolletee, und das hab ich als Zeichen für locker, lustig, leicht zu haben genommen. Selbst Günter wäre lieber zu Frau Peukert gefahren statt zu seiner Beerdigung. Wobei beides am Ende von der Stimmung überraschend ähnlich war. Frau Peukert ist privat nämlich eher sperrig, trotz Tatzen. Ihre lockere Art ist genauso gelogen wie ihre Oberweite. Silikonbrüste sind noch schlimmer als Push-ups. Silikonbrüste sind wie Treibhaustomaten: Das hat mit dem Original nichts zu tun und ist nur was für Leute, denen Ketchup eh lieber ist.
Ich schwöre, in dem Moment wo Frau Peukert »ein Latte matschikato« bestellte und von mir wissen wollte, ob ich den neuen Twilight schon gesehen habe, war für mich alles aus. Twilight -Fans gibt es nur, damit selbst die Trekkies noch jemanden haben, auf den sie herabschauen können. Auf meine Bemerkung, es wäre doch cool, wenn die neuen Vampire ihren Opfern nicht Blut, sondern Fett absaugen würden, kam von ihr nur absolute Verständnislosigkeit, und Frauen ohne Humor sind nichts für mich. Ich weiß eh nicht, wieso ich mich eigentlich mit Frau Peukert treffen wollte. Vielleicht Torschlusspanik. Sobald das Navi dringend die eine Ausfahrt empfiehlt (= Ramona), fahren Männer aus Trotz weiter, um zu gucken, ob die nächste nicht doch besser ist (= Frau Peukert). Männer zetteln irgendwas an, ohne an die Folgen zu denken: Weltkriege, Investmentbanking oder Affären mit Kantinenfrauen. Irgendwie werden wir das schon in den Griff kriegen, denken wir. Männer sind Macher, auch wenn das, was sie machen, nichts als Blödsinn ist.
Jedenfalls ist überhaupt nichts passiert. Null. Ich bin einfach wieder
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