Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)
gezwungen, vor anderen Männern sein Sperma auf Langsamkeit überprüfen zu lassen.
Wie gesagt, eigentlich war mein Plan ja nur, endlich die letzten sichtbaren Reste seiner Ex aus unserer Wohnung zu verbannen. Im Baumarkt wurde mir nachträglich klar, warum Rainer mich zu Beginn unserer Beziehung damit beeindrucken wollte, dass er eine Bierflasche mit den Zähnen aufmachen konnte. Mit Werkzeug kriegt er das nämlich nicht hin. Handwerk, so stellte sich hier heraus, ist für Rainer ähnlich wie eine Prostatauntersuchung – nichts, was man freiwillig macht. Und wenn es schon sein muss, dann sollen sich gefälligst Spezialisten die Finger schmutzig machen. Allein die Art, wie er einen Eckenroller in die Hand nahm, machte das deutlich. Das Blöde war, dass er merkte, dass ich es merkte.
Für einen Mann gibt es nichts Schlimmeres als persönliche Unfähigkeiten, die plötzlich sichtbar werden. Also lenkte ich ihn thematisch geschickt ab.
Das ist übrigens grundsätzlich das Beste, was man als Frau in so einer Situation tun kann. Auf keinen Fall versuchen, ihn davon zu überzeugen, dass man ihn trotz seiner gerade offenbar gewordenen Unzulänglichkeiten für einen tollen Hecht hält. So doof sind Männer nämlich nicht. Besser also ablenken und ihm durch unqualifizierte Kommentare und Fragen klarmachen, dass er auf jeden Fall immer noch klüger ist als seine Freundin. Die meisten Männer sind doof genug, darauf reinzufallen.
Ich beteuerte also, keine Ahnung zu haben, was der Unterschied zwischen Latex- und normaler Wandfarbe ist, und fing sicherheitshalber sogar noch einen Streit darüber an, dass er nicht wusste, was für einen Rotton mein Nagellack hat. Das alles, um Rainer von seinen »Ich-kenn-mich mit-Werkzeug-nicht-aus!-Ich-bin-kein-richtiger-Mann!«-Gedanken wegzubringen und ihn mit der Gewissheit zu beruhigen, dass seine Freundin in einem Baumarkt noch viel fehler am Platz ist als er. Typisch Frau, sollte er denken, auch in der Farbenabteilung beim Baumarkt denkt sie nicht weiter als bis »Nagellack«. Das funktionierte halbwegs, Rainer fühlte sich zumindest mir wieder überlegen, wenn schon nicht den anwesenden anderen »richtigen« Männern.
Das war ganz in meinem Sinne, immerhin brauchte ich ihn später noch, um Farbe, Fußleisten und Vorhänge anzubringen. Während er sich also mit mir stritt und vergaß, dass er hier im Baumarkt ungefähr so gut aufgehoben wirkte wie ich an einer GoGo-Stange, packte ich nebenbei alle Zutaten für meine »Unser Heim soll Ex-frei werden«-Aktion ein.
Zu Hause fiel uns dann beim Streichen auf, dass wir mehr Wand hatten als Farbe. Meine Schuld, behauptete Rainer, schließlich hätte ich die Wand ausgemessen. Seine Schuld, fand ich, warum lässt er seine strunzdumme Freundin auch die Wand ausmessen. Wenn es um gegenseitige Schuldzuweisungen geht, gewinnen Frauen immer. Das liegt daran, dass Männer immer schuld sind.
Das eigentliche Problem war nun aber, dass Rainer, nachdem er es mit Vorhängen und Fußleisten schon vergeigt hatte, langsam in einen Bereich kam, wo nicht mehr seine handwerkliche Begabung auf dem Spiel stand, sondern sein Status als Mann.
Meine eigene Grundregel, nie das Selbstwertgefühl des Freundes anzugreifen, war da schon lange flöten gegangen. Ich wollte endlich die Ex aus unserer Bude haben. Und an dem Punkt sollte das nicht mehr daran scheitern, dass mein Kerl einen Flansch für einen unzufriedenen Gesichtsausdruck hielt. Als ich stinksauer wissen wollte, wie es sein kann, dass er Fußleisten und Vorhänge für seine Exfreundin anbringen konnte, für mich aber nicht, kam aus Rainers Richtung nur noch ein zu Tode genervtes »Jetzt geht das wieder los …«, und er verschwand im Schlafzimmer.
Wir haben nie wieder über das Thema Heimwerken gesprochen. Wir haben überhaupt eine Zeit lang nicht mehr gesprochen. Heute weiß ich: Man darf Männern nie in ihre Selbstzweifel reinquatschen. Je besser die Absicht, desto schlimmer das Ergebnis. Und ich weiß noch was: Dass die alten Vorhänge und Fußleisten Rainers Exfreundin angebracht hat. Hat sie gut gemacht, muss man ihr lassen.
Ach, guck … die Kastanie … da ist ein Gesicht vorne drauf.
Das sehe ich, aber ich hab das nicht da draufgemalt und du auch nicht, ich weiß, wie du zeichnest. Wenn du versuchst, ein Gesicht zu zeichnen, sieht es aus wie eine Kastanie. Das würde ich glauben, aber das hier passt nicht zu dir …
Ich weiß, Paragraph zwölfzig in Rainers Grundgesetz: »Kunst und
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