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Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)

Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)

Titel: Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Husmann , Sonja Schönemann
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diese blöde Partytröte drin?
    Als Erinnerung an eine blöde Party.
    Ich erinnere mich nicht …
    Der Sechzigste von meinem Vater.
    Oh ja, ich erinnere mich … die Party wollte ich unbedingt vergessen.
    Ich weiß.
    Eltern auf Kindergeburtstagen sind ja schon schwierig, aber Kinder auf Elterngeburtstagen sind wie Gummibärchen auf Erbsensuppe.
    Exakt so riecht auch diese Tröte …
    …

Die Sache mit Papas Sechzigstem

    Gott ist schon ein Fuchs. Vater und Mutter soll man ehren, hat der Allmächtige verfügt, aber eben nur die eigenen, von den Eltern der Freundin war nie die Rede. Gott war Single, nach allem, was wir wissen, daran kann’s natürlich auch liegen. Jedenfalls konnte ich mich bislang immer auf ihn berufen, wenn es darum ging, nicht zu Ramonas Eltern zu fahren.
    Es klappt nicht so recht mit uns. Ihre Mutter geht, aber zwischen ihrem Vater und mir ist es wie zwischen Ost- und Westdeutschland: Man spricht dieselbe Sprache, hat sich aber nichts zu sagen. Und Ramonas Vater ist Ostdeutschland in diesem Vergleich. Andere Geschichte, andere Kultur bzw. eben keine. Ramonas Vater hat einen Schrebergarten und schreit Kinder an, die ihre Fahrräder im Hausflur abstellen.
    Aber mit Papas Sechzigstem ist es so wie ganz früher mit der Bundeswehr: Man braucht schon eine verdammt gute Begründung, um nicht hinzumüssen. Selbst ein Attest nutzt nichts. Auch Ramona ist der Meinung, ich soll mich halt zusammenreißen. Also fahren wir in den Gemeinschaftsraum der Schrebergartenanlage. Für so einen Anlass hab ich eigentlich gar nichts im Kleiderschrank, aber, wie sich vor Ort rausstellte, alle anderen auch nicht. Es gibt einen bunten Querschnitt von Ballonseide über Breitcord bis zur Pailletten-Bluse. Und Pailletten-Blues, also Andrea-Berg-Balladen, quillt aus den Boxen.
    Aber für solche Fälle hat Gott den Alkohol erfunden, denn, wie gesagt, er ist halt ein Fuchs. Und dadurch werden sogar Darbietungen von Freunden und Verwandten lustig. Zum Beispiel wenn der Jubilar als »Oldtimer« durch den »TÜV« muss. Tante Ingeborg prüft an der Hose des Oldtimers, ob mit dem »Krümmer« noch alles in Ordnung ist, und der Saal schmeißt sich weg vor Lachen. Zwischen dem nächsten Bier und dem nächsten Sketch fällt mir auf, dass ich in den letzten 25 Jahren schon locker bei einem Dutzend sechzigster Geburtstage war, die eigentlich alle gleich aussahen. Dieselben Reden, dieselben Outfits, derselbe Kartoffelsalat, egal in welchem Jahrzehnt.
    Dann gibt’s einen Diavortrag über das Leben von Ramonas Vater, und ich erfahre, dass der Mann in den 60ern eine Band hatte und ein Motorrad und dass er einen Ohrring trug. Es gibt außerdem Hinweise auf reichlich andere Frauen vor Ramonas Mutter. Kurz, im Grunde war der früher wie ich. Das nächste Bier bringt mich zu der Frage, wie kommt man von den Beatles zu Andrea Berg und von Jeans zur Ballonseide, kurz, wie wird man von West- zu Ostdeutschland?
    Noch ein Bier weiter frage ich mich, ob wir alle zwangsläufig bei genau diesem sechzigsten Geburtstag landen und es einfach nicht mehr merken, wenn es so weit ist. Mir fällt ein, dass ich neulich einen Teenager in der Fußgängerzone angeraunzt habe, der auf seinem Fahrrad unterwegs war, und dass ich zu Hause ein Richie-Blackmore-Solo leiser gedreht habe, um mich auf mein Sudoku konzentrieren zu können.
    Dann gibt es Schnaps, und ich unterhalte mich bestens mit Onkel Bruno. Danach bin ich sternhagelvoll. Auf den Bildern der Feier, die uns Ramonas Vater jetzt geschickt hat, bin ich auch zu sehen. Bei einer Polonaise. Vorneweg. Ich trage Luftschlagen um den Hals und singe offenbar laut mit.
    Ich starre auf die Fotos wie Jack Nicholson in Shining . Gott ist kein Fuchs, sondern schon lange tot, sonst würde er so was nicht zulassen.

Als mein Vater sechzig wurde, wollte Rainer nicht hin. Ich natürlich auch nicht, aber im Gegensatz zu Rainer hatte ich einen Grund: Ich würde da meine Familie treffen. Deswegen zwang ich ihn. Ich würde mich sonst in Schlafzimmer und Küche verweigern, drohte ich.
    In jeder Familie gibt es Aussetzer. Ein Cousin, der im Knast war, ein Onkel, der säuft, oder eine Tante, die stinkt. In meiner Familie gibt es all das – plus die richtig Schlimmen. Und dieser komplette Haufen hatte sich irgendwann in den letzten fünfzehn Jahren stillschweigend darauf geeinigt, dass ausgerechnet ich der Totalausfall Nummer eins bin. Am Anfang, weil ich immer dann mit den »netten Jungs« Schluss machte, wenn die sich gerade

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