Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)
Antwort. Dieser Roland, den ich da angeschleppt hätte, wär nicht sein Fall, sagte er. Es dauerte eine Weile, bis ich merkte, dass er damit Rainer meinte. Er würde die Finger von einem lassen, der ohne Not eine Polonaise anführe, sagte mein Vater leicht schwankend. »In dem Alter hab ich noch Rock ’n’ Roll gespielt. Rock ’n’ Roll, verstehst du?!«
Rainer torkelte mir entgegen und hatte Luftschlangen um den Hals. Er hatte Tante Clara, Onkel Bruno, Tante Gerda und Onkel Franz an seinen Schultern hängen und konnte Andrea Berg besser mitsingen als »Kettcar«. Es war ein ähnlich schlimmer Anblick wie damals, als in New York die Türme einstürzten. Sichere Gewissheiten waren mit einem Mal weg.
Nächstes Jahr wird meine Mutter sechzig. Da fahr ich auf jeden Fall allein hin …
Wir haben Essstäbchen in der Kiste, Rainer, warum haben wir Essstäbchen in der Kiste?
Die sind von Frank und Jasmin …
O Gott, stimmt, als die ihre Asienphase hatten … warum hast du die in die Kiste getan?
Mein Opa hatte auch ein paar Fußlappen vom Russlandfeldzug aufbewahrt, als Andenken an eine schlimme Zeit, die er erlebt und überlebt hat.
In deinem Vergleich wären wir ja die Deutschen, denn wir sind ja bei Frank und Jasmin eingefallen, allerdings nicht ungefragt, und wir wollten ihnen auch nicht die Wohnung wegnehmen.
Alle Vergleiche hinken … Jedenfalls sind das zwei Gedenkstäbchen, auf dass wir uns immer an diese schlimmen Abende erinnern!
Jetzt mach mal halblang. So schlimm war es gar nicht. Außerdem muss man als Paar ab und zu auch mal raus und andere Paare treffen. Der Mensch ist nun mal ein soziales Wesen, ein Rudeltier, er lebt in einer Herde. Das machen alle so – Kühe, Wölfe, Pinguine …
Pinguine fangen aber nicht plötzlich an, für andere Pinguine asiatisch zu kochen. Und falls doch, garantiere ich dir, dass die ratzfatz ganz allein sind auf ihrer Eisscholle.
Die Sache mit den sozialen Kontakten
Im Job komme ich gut klar, aber unser Freundeskreis macht mich fertig. Ich fühle mich sozial ausgebrannt. Der private Leistungsdruck ist viel größer als der im Büro. Treffen mit Freunden sind reiner Stress.
»Wir müssen uns unbedingt mit Jörn und Sandra treffen. Die haben uns schon zwei Mal eingeladen.« Ramona ist in unserer Beziehung der Außenminister und führt über so was mental Buch. Wir können Jörn und Sandra aber nicht zu uns nach Hause einladen, denn das haben die auch nicht gemacht. Bei Freunden ist es heute nämlich so wie bei Feinden im Alten Testament: Auge um Auge usw.
Mit Jörn und Sandra also Abendessen auswärts. »Abendessen auswärts« ist eine Stufe nach »Treffen auf ein Bier«, was wiederum die Stufe nach »Wir treffen uns auf einen Kaffee« ist, aber mindestens zwei Stufen vor »Abendessen bei uns«. Das ist die letzte Stufe und der größte Horror.
Den haben wir zum Beispiel mit Frank und Jasmin. Die haben beim letzen Mal Dim Sum gemacht, gedämpftes Zeugs in Bastkörbchen, die sie vermutlich vorher noch selbst geflochten haben. Da können Ramona und ich nicht einfach Kartoffelsalat mit Würstchen machen. Unter selbstgemachten Gnocchi als Vorspeise brauchen wir gar nicht erst anzutreten. Und als Beilage selbstgemachte Anekdoten. Alex und Mirja haben bei den Dim Sum von Frank und Jasmin diese irre Geschichte erzählt, wo ihr Gepäck auf dem Weg nach Bali verloren gegangen ist und er dann in Bangkok … – letztlich wurscht, war aber ein Ankommer, ein Burner, ein Brüller, und Ramona und ich hatten mal wieder nichts erlebt, waren nirgends gewesen und hatten entsprechend nichts anzubieten. Laut Ramona waren wir ganz knapp davor, beim nächsten Mal nicht mehr eingeladen zu werden, also praktisch den Freunde-Recall zu verpatzen. Ich hatte davon nichts mitgekriegt, aber bei DSDS halten sich ja auch alle Kandidaten immer an den Händen und tun so, als fänden sie sich toll, während jeder darauf hofft, dass der andere rausgewählt wird.
Deswegen hat Außenministerin Ramona jetzt prophylaktisch selbst eingeladen, und ich wurde von ihr verdonnert, mir Anekdoten auszudenken, die wir beide abends erzählen können. Wir können es uns nicht leisten, noch mal derartig langweilig rüberzukommen. Das Gegenteil von reden ist nicht zuhören, sondern warten, bis man wieder zu Wort kommt. Das gilt zwar auch für Meetings, aber noch viel mehr für Treffen mit Freunden. Und seit alle ein Smartphone haben, ist es noch schlimmer. Die früher zu Recht gefürchtete Diashow vom
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