Die Kiste der Beziehung: Wenn Paare auspacken (Populäres Sachbuch) (German Edition)
Menschenbabys, Diamanten. Frauen weinen, weil sie glücklich sind oder weil sie ihre Tage haben, manchmal sogar, weil sie traurig sind.
Trauer kann ich ausschließen, Hormone nicht ganz (die Sache mit dem Zyklus ist mir immer rätselhaft geblieben), kann aber auch nicht ganz glauben, dass meine Frage allein sie schon so glücklich gemacht hat, dass sie losheult. So ist Ramona eigentlich nicht.
Ich bin verwirrt, denke aber, dass es am besten ist, am ursprünglichen Plan festzuhalten. Der Plan ist gut. Jetzt nur nicht verwirren lassen. Ich sage also: »Du, ich glaube, wir müssen mal reden«, wie ein windelweicher Grünen-Wähler, der vor zwanzig Jahren ins Koma gefallen ist und jetzt wieder wach wurde.
Ramona weint noch mehr. Ich bin noch verwirrter. Ich will aber umso fester am Plan festhalten. Ich sage: »Kannst du so um eins am Ostpark sein? An der großen Platane? … Ich muss jetzt los!«
Ich muss natürlich nicht los. Aber wenn ich sie jetzt tröste, wenn ich jetzt auch nur frage, was los ist, versaue ich den Plan auf jeden Fall, dann fängt sie an zu reden, und dann sage ich auch was, und ratzfatz frage ich sie in der Küche zwischen zwei Scheiben Graubrot, ob sie mich heiratet, und die Anekdote kann ich dann frühestens in fünf Jahren erzählen, vorher ist sie nicht lustig.
Als ich gehe, weint Ramona auch schon nicht mehr, dafür hat es draußen wirklich angefangen zu regnen …
»Lieber ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende« hat viel Wahres. Aber wie das mit großen Wahrheiten so ist, man hält sich im richtigen Leben nie dran.
Mir ist schon seit Wochen klar, dass der Zustand, in dem Rainer und ich gerade leben, nicht mehr lange anhalten wird. Rainer hat sich verändert. Er ist distanziert, vorsichtig, nachdenklich. Er ist immer noch Rainer, aber nicht mehr mein Rainer.
Auf seiner Seite ist es ein klares Luftanhalten, ein Warten, bis ich die Stimmung nicht mehr länger aushalte, ihm die Entscheidung abnehme und »Ich glaube, wir müssen reden« sage. Dann kann er endlich den üblichen männlichen Part übernehmen und seufzend nicken. Dann sage ich: »Irgendwas stimmt doch nicht bei uns, seit Wochen schon, was ist los?« Worauf er sagt, dass er das auch gemerkt hat, oder wahlweise erneut seufzend nickt. Dann sage ich ganz viel, versuche Gründe und Lösungen zu finden, von ihm kommt aber wieder nur Seufzen und Zustimmung.
Und weil von ihm auch danach außer Seufzen und Nicken nichts kommt, stelle ich dann irgendwann die Frage, die keine Frau stellen will, an der aber zu diesem Zeitpunkt kein Weg mehr vorbei führt: »Willst du, dass wir uns trennen?«
Und da wird Rainer dann gar nichts sagen. Er wird auch nicht seufzen oder nicken, denn das wäre ja eine bewusste Entscheidung, und er könnte hinterher nicht mehr sagen »Ramona hat mich verlassen!« Stattdessen wird er mir, nachdem ich diese Frage zehnmal neu und immer wieder anders formuliert habe, traurig in die Augen sehen und sagen: »Wenn du glaubst, dass das so das Beste ist …« Und das war’s dann. Die Frau, beziehungsweise ich, ist nach diesem Satz so geschockt, dass sie aufgibt. Und packt.
Ich bin also darauf vorbereitet, dass es jederzeit so weit sein kann, dass ich die Stimmung bei uns nicht mehr aushalte, den Satz »Ich glaube, wir müssen reden« sage und damit unaufhaltsam das Ende unserer Beziehung in Gang setze.
Nur die Tatsache, dass ich momentan echt viel Stress im Büro habe und eine Trennung plus Auszug gerade überhaupt nicht mit meinen ganzen Überstunden zu vereinbaren ist, hat mich bis jetzt davon abgehalten. Aber ich leide natürlich wie Hulle unter der unausgesprochenen Anspannung. Ich bin viel zu dünn geworden. Rainer ist es nicht aufgefallen, was einiges über unser Sexleben in der letzten Zeit sagt. Wir haben keins.
Beim Frühstück fragt Rainer, ob ich abgenommen habe, und ich breche in Tränen aus. Weil ich weiß, warum er das fragt. Es geht ihm zu langsam mit unserer Trennung. Er fragt mich, ob ich abgenommen habe, damit ich sage »Ja, mir geht es in letzter Zeit nicht so gut … ich glaube, wir müssen reden.«
Ich will ihm den Gefallen nicht tun. Mir egal, was er von mir erwartet, ich werde diesen Satz nicht aussprechen.
»Du, ich glaube, wir müssen mal reden«, sagt Rainer, und in mir brechen Welten zusammen. Ein kluger Mensch hat mal gesagt: »Wenn Luftschlösser platzen, sind es immer nur Luftschlösser, die platzen.« Ich stelle mir vor, wie ich diesem klugen Menschen meine
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