Die Klaue des Schlichters
vereitelte ein dumpfer Schlag, so daß er vor mir zu Boden sackte. Wenn ich mich nun daran erinnere, ist das Klirren seiner Stahlhand auf dem Kiesweg so lebhaft wie der Duft der Pflaumenblüten.
Nachdem alle Künstlertruppen vorüber waren, hoben zwei Prätorianer den armen Jonas auf und trugen ihn. Das kostete sie so wenig Mühe, als trügen sie ein Kind; allerdings schrieb ich das damals lediglich ihrer Kraft zu. Wir überquerten die Straße, auf der die Künstler vorbeigezogen waren, und zwängten uns durch eine übermannsgroße Rosenhecke, die von gigantischen weißen Blüten überzogen und von nistenden Vögeln bevölkert war.
Dahinter erstreckten sich die eigentlichen Gärten. Wollte ich diese nun beschreiben, würde ich lediglich den Eindruck erwecken, Hethors wirre, stotternde Beredsamkeit übernommen zu haben. Jeder Hügel und Baum, jede Pflanze und Blume schien von einer alles beherrschenden Intelligenz (der des Vater Inire, wie ich inzwischen weiß) gestaltet, um einen atemberaubenden Anblick darzustellen. Der Betrachter glaubt, im Zentrum zu sein, daß alles, was er sieht, auf die Stelle ausgerichtet ist, an der er steht; ist er jedoch hundert Schritt oder auch eine Meile weitergegangen, befindet er sich anscheinend immer noch im Zentrum, und ihm ist, als vermittle jeder Anblick eine nicht formulierbare Wahrheit, gleichsam eine jener unaussprechlichen Einsichten, die einem Eremiten zuteil werden.
So wunderschön waren diese Gärten, daß ich erst nach einer Weile bemerkte, daß sich keine Türme über sie erhoben. Nur die Vögel und Wolken und darüber die alte Sonne und die blassen Sterne überragten die Wipfel; es war, als durchwanderten wir eine göttliche Wildnis. Dann erreichten wir den Kamm einer Bodenwelle, die lieblicher als jede kobaltblaue Welle des Uroboros’ war, und mit einemmal tat sich zu unseren Füßen ein Schlund auf. Ich nenne es Schlund, aber es war nicht der finstere Abgrund, den man normalerweise unter diesem Begriff versteht. Vielmehr handelte es sich um eine Grotte, die Springbrunnen und Nachtblumen ausfüllten und worin Leute um die Fontänen schlenderten und an schattigen Plätzchen plauderten.
Als wäre eine Mauer eingestürzt, so daß Licht in eine Gruft fiele, verschmolzen plötzlich viele Erinnerungen an das Haus Absolut, die ich mit dem Leben Theclas aufgenommen hatte, zu einem Ganzen. Ich verstand etwas, das sowohl im Spiel des Doktors als auch in vielen Geschichten, die Thecla mir erzählt hatte, angedeutet war, obgleich sie es nie direkt ausgesprochen hatte: der ganze gewaltige Palast lag unter der Erde – oder vielmehr waren die Dächer und Wände mit bepflanzter Erde bedeckt und als Landschaft gestaltet, so daß wir die ganze Zeit auf dem Sitz der Macht des Autarchen, den ich noch in einiger Entfernung wähnte, umhergegangen waren.
Wir stiegen nicht in diese Grotte hinab, die zweifellos zu Gemächern führte, die für die Inhaftierung von Gefangenen ungeeignet waren – ebensowenig in eine der nächsten zwanzig oder so, die wir passierten. Zuletzt stießen wir jedoch auf eine, die viel düsterer, wenn auch nicht weniger schön war. Die Treppe, über die wir sie betraten, war so gearbeitet, daß sie einem natürlichen Gebilde dunklen Gesteins ähnelte – unregelmäßig und zuweilen tückisch. Wasser tropfte von oben herab, und in den Höhen dieser künstlichen Höhle, wohin sich noch ein wenig Sonnenlicht verirrte, wuchsen Farne und dunkles Efeu. Im unteren Teil, tausend Stufen tief, überzogen bleiche Schwämme die Wände; einige davon leuchteten; andere beluden die Luft mit eigenartigen, modrigen Gerüchen; wieder andere gemahnten an bizarre phallische Fetische.
Inmitten dieses dunklen Gartens hingen an einem Gerüst von Grünspan überzogene Gongs. Sie waren, wie mir schien, dazu gedacht, vom Wind angeschlagen zu werden; offenbar war jedoch ausgeschlossen, daß je ein Lüftchen sie erreichte.
So dachte ich wenigstens, bis einer der Prätorianer eine schwere Tür aus Bronze und wurmstichigem Holz in einer der dunklen Steinmauern auftat. Ein kalter, trockener Luftzug wehte durch die Öffnung und setzte die Gongs in Gang. Ihr Geschmetter klang so harmonisch wie die geistreiche Komposition eines Musikers, dessen Gedanken nun hier in Verbannung lebten.
Als ich zu den Gongs aufblickte (woran die Prätorianer mich nicht hinderten) entdeckte ich an die vierzig Statuen, die uns durch die Gärten gefolgt waren. Sie umringten den Höhlenrand und standen nun still,
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