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Die Klaue des Schlichters

Die Klaue des Schlichters

Titel: Die Klaue des Schlichters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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bekäme es aber wieder, ehe ich es im Auftrag von Vater Inire zu gebrauchen hätte.«
    Der kleine Mann schüttelte den Kopf. »Ich versichere Euch, in meiner Position hätte ich Bescheid bekommen, wenn einer der Diener …«
    »Das wurde mir von einem Prätorianer gesagt«, erklärte ich.
    »Aha, das hätt’ ich mir denken können. Sie sind überall gewesen, ohne einen in Kenntnis zu setzen. Es ist uns ein Gefangener entwischt, Euer Ehren, wie Ihr sicherlich vernommen habt.«
    »Nein.«
    »Ein Mann namens Beuzec. Er ist angeblich harmlos, wurde aber zusammen mit einem anderen, in einem Baum auf der Lauer liegend, aufgegriffen. Dieser Beuzec suchte das Weite, ehe man ihn eingesperrt hatte, und entkam. Sie sagen, sie würden ihn bald schnappen; ich weiß nicht. Ich sage Euch, ich lebe von Kindheit an im Haus Absolut, und es hat ein paar seltsame Ecken – höchst seltsame Ecken.«
    »Wohin vielleicht auch mein Schwert geraten ist. Geh doch nachsehen!«
    Er wich einen halben Schritt zurück, als hätte ich die Hand gegen ihn erhoben. »O ja, sofort, Euer Ehren, sofort. Ich wollte nur ein wenig mit Euch plaudern. Es ist vermutlich dort unten. Wenn Ihr mir folgen wolltet …«
    Wir gingen zur anderen Treppe, und ich bemerkte, daß ich bei meiner hastigen Suche eine einzelne, schmale Tür unter dem Treppenabsatz übersehen hatte. Sie war weiß gestrichen, so daß sie fast die gleiche Farbe wie die Steinmauer hatte.
    Der Aufseher zog einen schweren Schlüsselbund hervor und schloß sie auf. Das dreieckige Zimmer dahinter war viel größer, als ich vermutet hatte, und reichte weit hinter die Treppe. An der Rückseite war eine Art Dachboden, zu dem eine wacklige Leiter Zugang verschaffte. Es brannte eine Lampe von der gleichen Art wie im Vorzimmer, allerdings dunkler.
    »Könnt Ihr sehen?« fragte der Aufseher. »Wartet, hier muß irgendwo eine Kerze sein, denk’ ich. Diese eine Lampe bringt nicht viel, weil die Regale so viel Schatten machen.«
    Während er sprach, hatte ich die Regale abgesucht. Sie waren vollgestopft mit Kleidungsstücken, zwischen denen hie und da ein Paar Schuhe, eine Gabel, eine Griffelschachtel, eine Ambrakugel steckten.
    »Als ich noch ein Knabe war, knackten die Küchenjungen immer das Schloß, um hier rumzustöbern. Ich habe dem –zum Glück – ein Ende gesetzt, fürchte aber, daß die besten Sachen längst verschwunden sind.«
    »Was ist das hier?«
    »Eigentlich eine Kammer für Bittsteller. Mäntel, Hüte, Stiefel – Ihr wißt schon. Ein solches Gelaß füllt sich immer mit den Sachen, welche die Glücklichen mitzunehmen vergessen, wenn sie gehen, und dann ist dies schon immer Vater Inires Flügel, Und es hat wohl schon immer solche gegeben, die ihn aufgesucht haben, aber nie zurückgekommen sind, wie auch solche, die herauskommen, die nie eingetreten sind.« Er hielt inne und blickte sich um. »Ich mußte den Soldaten die Schlüssel geben, damit sie mir nicht die Türen einträten, als sie diesen Beuzec suchten, es wäre also denkbar, daß sie Euer Schwert hier abstellten. Wenn nicht, nahmen sie es vermutlich mit hinauf in ihre Wachstube. Das hier ist’s nicht, nehm’ ich an?« Aus einer Ecke zog er eine altertümliche Spada.
    »Nein.«
    »Ist offenbar das einzige Schwert hier, fürcht’ ich. Ich kann Euch den Weg zur Wachstube erklären. Oder ich kann einen der Diener wecken, um fragen zu gehen, wenn Ihr wollt.«
    Die Leiter zu dem Dachboden war wackelig, dennoch kletterte ich an ihr empor, nachdem mir der Aufseher seine Kerze abgetreten hatte. Obschon es außerordentlich unwahrscheinlich war, daß die Soldaten Terminus Est dort abgelegt hätten, wollte ich ein wenig Zeit gewinnen, um die mir offenen Möglichkeiten zu überdenken.
    Beim Hinaufsteigen vernahm ich von oben ein Rascheln, das ich irgendeinem Ungeziefer zuschrieb; aber als ich den Kopf und die Kerze über den Rand des Bodens steckte, erblickte ich den kleinen Mann, der Hethor begleitet hatte, in einer höchst unterwürfigen Haltung auf den Dielen kniend. Das war natürlich Beuzec, nur war mir der Name entfallen, bis ich ihn wiedersah.
    »Ist da oben was, Euer Ehren?«
    »Lumpen. Ratten.«
    »Dacht’ ich mir doch«, sagte der Aufseher, als ich von der letzten Sprosse trat. »Ich müßte selber mal ab und zu nachsehn, aber in meinem Alter ist man nicht mehr darauf versessen, so etwas hinaufzuklettern. Möchtet Ihr selbst die Wachstube aufsuchen, oder soll ich einen der Diener wecken?«
    »Ich gehe selbst.«
    Er nickte

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