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Die Klaue des Schlichters

Die Klaue des Schlichters

Titel: Die Klaue des Schlichters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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– nach langen Meilen sinniger Korridore des Geheimen Hauses – eine Tür aufgetan hat und ich die silbernen Ströme Ideogramme über die Sonnenscheibe zeichnen gesehen habe.
    »Geradeaus«, murmelte die Gestalt im Mönchsgewand. »Folgt dem Weg durch das Baumtor. Bei den Spielern werdet Ihr sicher sein.« Die Tür ging hinter mir zu und wurde zum Grashang eines Hügels.
    Ich schritt auf den Brunnen zu, dessen vom Wind herangetragene sprühende Nässe mich erquickte. Eine Weile stand ich auf dem mich umgebenden Serpentinpflaster, um in den tanzenden Formen meine Zukunft zu lesen, und durchwühlte schließlich meine Gürteltasche nach einer Gabe. Die Prätorianer hatten mir alles Geld abgenommen, aber während ich die wenigen Habseligkeiten durchkramte, die ich noch darin hatte (ein Wolltuch, das Stück Wetzstein und ein Ölkännchen für Terminus Est; einen Kamm und das braune Buch für mich selbst), erspähte ich eine Münze, die zwischen den grünen Platten zu meinen Füßen steckte. Nach kurzem Hantieren konnte ich sie herausziehen – einen Asimi, der so abgegriffen war, daß von der Prägung kaum noch etwas übrigblieb. Einen Wunsch flüsternd, warf ich ihn mitten in den Brunnen. Ein Strudel erfaßte ihn dort und schleuderte ihn himmelwärts, so daß er einen Moment lang aufblitzte und versank. Ich deutete nun die Symbole, die das Wasser vor der Sonne bildete.
    Ein Schwert. Das schien völlig klar. Ich sollte Folterer bleiben.
    Dann eine Rose und darunter ein Fluß. Ich sollte den Gyoll befahren, wie ich es beabsichtigte, denn das war der Weg nach Thrax.
    Nun zornige Wellen, die bald zum langen, düsteren Schwall auswuchsen. Das Meer, vielleicht; aber man könnte nicht zum Meer gelangen, dachte ich, indem man auf die Quelle des Stromes zuhielt.
    Ein Stab, ein Stuhl, eine Vielzahl von Türmen, und schon hielt ich die wahrsagenden Kräfte des Brunnens, an die ich nie besonders glaubte, für völlig falsch. Ich wandte mich ab; beim Umdrehen indes erblickte ich einen vielzackigen Stern, der immer größer wurde.
     
    Seit meiner Rückkehr zum Haus Absolut habe ich den Vatis-Brunnen noch zweimal aufgesucht. Einmal kam ich beim Morgengrauen durch dieselbe Tür, durch die ich ihn zuerst gesehen hatte. Doch ich habe nie wieder gewagt, ihm Fragen zu stellen.
    Meine Diener, die ausnahmslos zugeben, daß sie ihre Orikalken hineingeworfen haben, wenn im Garten keine Gäste geweilt haben, versichern mir ausnahmslos, daß sie’ für ihr Geld keine echte Prophezeiung erhalten haben. Dennoch bin ich mir nicht sicher, denke ich an den grünen Mann, der seine Besucher mit der Deutung ihrer Zukunft abgewimmelt hat. Kann es nicht sein, daß diese meine Dienerschaft, die für sich nur ein Leben voller Servierbretter, Besen und läutender Glocken sieht, sie zurückweist? Gleichfalls habe ich meine Minister befragt, die zweifellos eine ganze Handvoll Chrysos hineinwerfen, aber ihre Antworten sind unsicher und gemischt gewesen.
    Es fiel mir wahrlich schwer, dem Brunnen mit seinen hübschen, rätselhaften Sprüchen den Rücken zu kehren und vorwärtszugehen, der alten Sonne zu. Groß wie das Gesicht eines Riesen und dunkelrot schwebte sie über dem Horizont, der sich unaufhaltsam senkte. Die Pappeln der Anlage hoben sich als Silhouetten davor ab, was mich an die schleichende Nacht über der Karawanserei am diesseitigen Westufer des Gyolls erinnerte, die ich so oft am Ende unserer Badeausflüge vor der dahinterstehenden Sonne gesehen hatte.
    Da ich nicht wußte, daß ich mich nun ziemlich tief innerhalb der Grenzen des Hauses Absolut befand und mich von den Patrouillen der Randbezirke ein gehöriges Stück Weges trennte, fürchtete ich, jeden Moment ergriffen und gar wieder in das Vorzimmer geworfen zu werden – dessen Geheimtür man inzwischen bestimmt entdeckt und versperrt hatte. Nichts dergleichen geschah. So weit ich sehen konnte, regte sich bis auf mich keine Menschenseele in all den Meilen von Hecken, samtigen Wiesen, Blumen und murmelnden Bächlein. Lilien, die viel höher als ich waren, säumten mit ihren sternförmigen Blüten, auf denen der standhafte Tau glitzerte, den Pfad; dessen peinlich glatte Oberfläche wies hinter mir nur die Spuren meiner eigenen Füße auf. Nachtigallen, die einen frei, die anderen in goldenen, an den Ästen der Bäume hängenden Käfigen, sangen noch.
    Einmal bemerkte ich vor mir mit einem Anflug des alten Entsetzens eine der wandelnden Statuen. Wie ein gigantischer Mensch (obschon sie kein

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