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Die Klaue des Schlichters

Die Klaue des Schlichters

Titel: Die Klaue des Schlichters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gene Wolfe
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beschützen mich vor meinem Doktor, vor seinem Riesen, vor ihren Männern und Söhnen und Nachbarn. Und die Männer! Baldanders muß sie in den Fluß werfen.«
    Ich fragte, ob sie sich einen Fuß verstaucht habe, und blickte mich nach einer Beförderungsmöglichkeit um, als wir den Kastanienhain verließen, aber es war nirgendwo etwas zu sehen.
    »Meine Oberschenkel sind wund gerieben, und das Gehen tut weh. Ich habe eine Salbe dafür, die ein bißchen hilft, und ein Mann hat mir zum Reiten ein Pony gekauft, aber ich weiß nicht, auf welcher Weide es jetzt steht. Am angenehmsten ist es, wenn ich die Beine breit machen kann.«
    »Soll ich dich tragen?«
    Wieder lächelte sie, wobei ein vollendetes Gebiß zum Vorschein kam. »Das würd’ uns beiden gefallen, nicht wahr? Aber es sähe leider nicht sehr vornehm aus. Nein, ich gehe – hoffe nur, ich muß nicht weit gehen. Ja, ich werde nicht weit gehen, was immer auch geschieht. Bis auf die Komödianten scheint sowieso keiner unterwegs zu sein. Vielleicht schlafen die wichtigen Leute länger, um für das Fest heut’ abend gerüstet zu sein. Ich muß selber noch schlafen, wenigstens vier Wachen, bevor ich weiter gehe.«
    Ich hörte Wasser plätschern und hielt darauf zu, da ich kein besseres Ziel im Auge hatte. Wir zwängten uns durch eine Weißdornhecke, deren gesprenkelte weiße Blüten aus der Ferne als ein schier undurchdringliches Hindernis gewirkt hatten, und ich gewahrte einen Fluß, kaum breiter als eine Straße, über den wie Eisskulpturen Schwäne glitten. Es stand an seinem Ufer ein Pavillon, und es lagen dort drei Boote, ein jedes in der Form einer großen Teichrosenblüte. Ihr Bauch war mit dickstem Seidenbrokat ausgepolstert, das einen würzigen Duft verströmte, wie ich feststellte, als ich eins davon bestieg.
    »Wunderbar«, entfuhr es Jolenta. »Man wird nichts dagegen haben, wenn wir eins nehmen, nicht wahr? Wenn doch, wird man mich zu jemand Wichtigem bringen wie im Stück, und wenn er mich sieht, wird er mich nicht mehr gehen lassen. Ich verlange, daß Dr. Talos bei mir bleibt – und du, wenn du willst. Man wird für dich Verwendung finden.«
    Ich erwiderte, daß ich meine Reise in den Norden fortsetzen müsse, und hob sie in das Boot, indem ich meinen Arm um ihre Taille legte, die fast so schlank wie Dorcas’ war.
    Sie legte sich sofort auf das Polster nieder, wo die aufgestellten Blumenblätter ihrem vollendeten Teint Schatten spendeten. Das ließ mich an Agia denken, wie wir lachend über die Adamnische Treppe gingen und sie mit dem breitrandigen Hut prahlte, den sie nächstes Jahr tragen wollte. Agia hatte keinen Zug, der einem Vergleich mit Jolenta standhalten könnte; sie war kaum größer als Dorcas, hatte zu dicke Hüften, und ihre Brüste wirkten angesichts Jolentas überquellender Fülle mager; ihre langen, braunen Augen und hohen Wangenknochen drückten mehr Verschlagenheit und Willenskraft als Leidenschaft und Fügsamkeit aus. Dennoch hatte Agia in mir eine gesunde Brunst entfacht. Ihr Lachen war, wenn es erschallte, oft von Spott gefärbt; aber es war ein echtes Lachen. War sie lüstern, brach der Schweiß ihr aus allen Poren; Jolentas Verlangen hingegen war nur das Verlangen, begehrt zu werden, was in mir den Wunsch auslöste – nicht ihre Einsamkeit zu lindern, wie ich die verlassene Valeria hatte trösten wollen, oder für eine schmerzliche Liebe wie meine Liebe zu Thecla einen Ausdruck zu finden oder sie zu beschützen, wie ich Dorcas beschützen wollte – sondern sie zu beschämen und zu bestrafen, ihre Selbstbeherrschung zu brechen, ihre Augen mit Tränen zu füllen und ihr die Haare auszureißen, wie man das Haar von Toten verbrennt, um die entwichenen Geister zu peinigen. Sie hatte damit geprahlt, aus Frauen Tribaden zu machen. Mich hätte sie fast zum Algophilisten gemacht.
    »Das ist mein letzter Auftritt, bestimmt. Ich spür’s. Es wird unter dem Publikum gewiß jemand sein …« Sie gähnte und streckte sich. Ich rechnete so fest damit, daß ihr gespanntes Mieder sie nicht mehr fassen konnte, daß ich den Blick abkehrte. Als ich wieder zu ihr hinsah, schlief sie.
    Ein schmales Ruder hing hinter dem Boot herunter. Ich nahm es in die Hand und stellte fest, daß der Rumpf trotz seiner runden Form darunter einen Kiel hatte. In der Flußmitte war die Strömung ausreichend stark, so daß ich während unserer gemächlichen Fahrt nur die sanft gewellten Windungen zu durchsteuern hatte. Wie der Diener in Mönchskutte und ich

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