Die Klaue des Schlichters
war’s nicht, obschon er ihm glich. Außerdem war’ er, wette ich, nett zu mir, behandelte ich seinen Wahn nur mit Respekt. O nein, in dieser seltsamen Nacht, in der wir uns, die im Frost erfrorenen Stiele der alten Menschensprosse, mit dem Samen des neuen Jahres vermengt wiederfinden, fürchte ich, daß er mehr ist, als wir ahnen.
I NQUISITOR : Das mag sein, aber Ihr findet ihn hier ebenso wenig wie den Mann, der Euch geschlagen. (Zum V ERTRAUTEN .) Bring das Hexenweib, Bruder!
V ERTRAUTER : S O sind sie alle – obschon manche schlimmer sind als andre.
Er geht ab und kehrt wieder, M ESCHIANE an einer Kette hereinführend.
I NQUISITOR : E S wird gegen dich vorgebracht, sieben Soldaten unseres Herrn des Autarchen so verzaubert zu haben, daß sie eidbrüchig geworden sind und die Waffen gegen ihre Kameraden und Offiziere erhoben haben. (Er steht auf und entzündet eine große Kerze auf einer Seite seines Pultes.) Ich beschwöre dich nun inständig, diese Sünde zu gestehen und – falls du dieser schuldig – die Macht kundzutun, die dir dabei gedient, und die Namen derer, die dich gelehrt, diese Macht anzurufen.
M ESCHIANE : Die Soldaten sahen nur, daß ich nichts Böses wollte und bangten um mich. Ich …
V ERTRAUTER : Still!
I NQUISITOR : Den Beteuerungen der Angeklagten wird kein Gewicht beigemessen, sofern sie nicht unter Druck geäußert werden. Mein Vertrauter wird dich vorbereiten.
Der V ERTRAUTE ergreift M ESCHIANE und schnallt sie auf eines der Geräte.
C ONTESSA : Da der Welt so wenig Zeit verblieben, will ich sie nicht damit vergeuden, das mit anzusehn. Bist du ein Freund des nackten Mannes vom Garten? Ich will ihn suchen und ihm sagen, was aus dir geworden ist.
M ESCHIANE : O ja! Ich hoffe, er kommt, ehe es zu spät ist.
C ONTESSA : Und ich hoffe, er wird mich annehmen – an deiner Stelle.
Gewiß sind beide Hoffnungen gleich sinnlos, und wir werden bald Schwestern in Verzweiflung sein.
Die C ONTESSA geht ab.
I NQUISITOR : Ich gehe auch, um mit ihren Rettern zu sprechen. Bereite die Angeklagte, denn ich kehre bald wieder.
V ERTRAUTER : E S ist noch eine zweite da, Inquisitor. Mit ähnlichen Verbrechen, wenn auch wohl nicht ganz so mächtig.
I NQUISITOR : Warum hast du nichts gesagt? Ich hätte den beiden meine Anweisung gemeinsam erteilen können. Bring sie rein!
Der V ERTRAUTE geh t ab und führt J AHI herein. Der I NQUISITOR kramt in den Papieren auf seinem Pult.
I NQUISITOR : E S wird gegen dich vorgebracht, sieben Soldaten unseres Herrn des Autarchen so verzaubert zu haben, daß sie eidbrüchig geworden sind und die Waffen gegen ihre Kameraden und Offiziere erhoben haben. Ich beschwöre dich nun inständig, diese Sünde zu gestehen und – falls du dieser schuldig – die Macht kundzutun, die dir dabei gedient, und die Namen derer, die dich gelehrt, diese Macht anzurufen.
J AHI (stolz): Ich habe alles getan, dessen du mich anklagst, und mehr, als du weißt. Die Macht wage ich nicht zu benennen, damit dieses aufgepolsterte Rattenloch nicht in Stücke zerfetzt werde. Wer mich gelehrt? Wer lehrt ein Kind, seinen Vater anzurufen?
V ERTRAUTER : Seine Mutter?
I NQUISITOR : Ich will’s nicht wissen. Bereite sie. Ich komme bald wieder.
Der I NQUISITOR geht ab.
M ESCHIANE : Sie kämpften auch für dich? Wie schlimm, daß so viele sterben mußten!
V ERTRAUTER (während er J AHI auf eine Vorrichtung an der anderen Seite des Pults fesselt): Er hatte wieder deine Papiere. Aber keine Sorge, ich weise ihn – diplomatisch – auf diesen Irrtum hin, wenn er zurückkehrt.
J AHI : D U hast die Soldaten bezaubert? Dann bezaubere diesen Narren und befreie uns!
M ESCHIANE : Ich bin solcher Kräfte nicht mächtig, und ich habe nur sieben von fünfzig bezaubert.
Der gefesselte J AHI wird vom E RSTEN S OLDATEN mit einer Pike hereingetrieben. V ERTRAUTER : Was ist das?
E RSTER S OLDAT : Nun, ein Gefangener, wie Ihr seinesgleichen noch nie gehabt habt. Er hat hundert Männer getötet, wie unsereins Welpen erschlüge. Hast du genügend große Schellen für ihn?
V ERTRAUTER : Werd’ wohl ein paar zusammenhängen müssen, aber ich laß’ mir was einfallen.
N OD : Ich bin kein Mensch, sondern weniger und mehr – aus Lehm geboren von Mutter Gäa, deren Schoßhündchen die wilden Tiere sind. Wenn deine Herrschaft sich über Menschen erstreckt, dann mußt du mich gehen lassen.
J AHI : Wir sind auch keine. Laß uns frei!
E RSTER S OLDAT (lachend): Das sehen wir. Ich habe daran keinen Moment
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