Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)
Rippen sticht.
Nadine Gastrow stöhnt und wimmert, aber nur noch ganz schwach. Er stößt ihr das Messer in den Rücken, und die Klinge fährt bis zum Heft in ihren Körper. Irgendwie spürt er, dass sie tödlich verwundet ist. Zur Sicherheit hält er ihr trotzdem einen Finger unter die Nase. Kein Atem mehr, stellt er fest. Aber er will nichts riskieren. Profikiller feuern ihren Opfern ja auch immer mehrere Kugeln in den Kopf.
Kevin Ferber zieht das Messer heraus und sticht nochmals wuchtig zu. Diesmal trifft die Klinge auf eine Rippe. Durch den Aufprall rutscht er mit der Hand vom Messergriff ab und durchtrennt so eine Sehne an seinem kleinen Finger.
Das gibt’s doch nicht, sagt sich Kevin Ferber. Jetzt hat er sich doch schon wieder geschnitten! Düster starrt er auf sein Opfer hinab. Von dem »Kick« und dem »supergeilen Gefühl«, die er sich von der Tötung erhofft hat, ist nichts zu spüren. Enttäuschung breitet sich in ihm aus. Die blutende Verletzung an seinem kleinen Finger macht seine Laune auch nicht gerade besser.
Er wickelt sich Toilettenpapier um den Finger. Mitleid mit Nadine Gastrow empfindet er nicht, genauso wenig wie Reue. Er ist einfach nur sauer, weil es ihm nicht gebracht hat, was er sich ausgemalt hatte. Außerdem ist er beunruhigt, weil mittlerweile alles voller Blut ist. Damit hat er nicht gerechnet.
Er geht erst mal raus, um Luft zu schnappen. Er raucht eine Zigarette und kehrt gegen 23 Uhr zum Schredder zurück. Dort sitzt sein Kollege Jan Friedrich mittlerweile auf dem Gabelstapler und bestückt den Schredder mit Müllballen.
»Was ist heute mit dir los?«, schreit Jan Friedrich über das Dröhnen der Maschine hinweg. »Wo treibst du dich denn herum?«
»Mir ist schlecht«, antwortet Kevin Ferber. »Ich muss andauernd kotzen.«
Der ältere Kollege zieht eine Grimasse, halb mitfühlend, halb genervt. »Dann arbeite du weiter an der Presse«, sagt er. »Der Schredder muss laufen, sonst macht uns der Schichtleiter Druck. Außerdem ist die Presse näher bei den Klos.«
Kevin Ferber lässt sich nichts anmerken, aber Jan Friedrichs Vorschlag kommt ihm sehr gelegen. Von der Presse aus hat er den Eingang zur Damenumkleide im Blick. Wenn irgendjemand sich dort herumtreibt, wird er es zumindest frühzeitig bemerken.
An der Presse ist um diese Zeit glücklicherweise nicht viel zu tun. Schon eine Viertelstunde später kann er sich nochmals unbemerkt wegschleichen.
Um 23:15 Uhr betritt er erneut Halle 3. Er geht zu dem Schweißgerät, das an seiner Wandhalterung hängt und in einem stabilen Plastiksack steckt. Der Sack hat genau die richtige Größe, sagt sich Kevin Ferber, während er ihn von dem Schneidbrenner herunterzieht.
Als Kevin Ferber die Damentoilette erreicht hat, bleibt er einen Moment lang fassungslos im Eingang stehen. Die Blutlache um die Leiche herum ist noch größer geworden. Sie muss literweise Blut verloren haben! Wie soll er das ganze Zeug wegwischen, verdammt noch mal?
Zunächst einmal muss er die Leiche verschwinden lassen. Er versucht, sie mit den Füßen voran in den Plastiksack zu schieben. Aber irgendwie rutscht das Bein, das er gerade in den Sack gestopft hat, jedes Mal wieder heraus, wenn er das zweite hinterherschieben will.
Also versucht es Kevin Ferber von der anderen Seite. Er schiebt als Erstes ihren Kopf in den Plastikbeutel. Und diesmal gibt es keine Probleme. Er schnappt sie sich wie einen Sack voll Müll und schleppt sie zu den Papiercontainern am anderen Ende von Halle 3. Zwischen den Containern liegt bergeweise Pappe, unter der der Plastiksack vollständig verschwindet.
Jedenfalls für den Moment. Bis ihm eine bessere Lösung eingefallen ist.
Kevin Ferber kehrt in die Damenumkleide zurück. Im Toilettenbereich schnappt er sich Klopapier und wischt das Blut auf. Der Zellstoff saugt sich im Nu voll, und er wirft Unmengen davon in eines der Klos. Als er abziehen will, gibt es eine Riesenverstopfung – blutige Papierklumpen und rote Brühe drehen sich in der Schüssel gurgelnd im Kreis.
Auch das noch, verdammt noch mal!, denkt Kevin Ferber. Aber er arbeitet verbissen weiter.
Unter den Waschbecken steht ein Mülleimer mit einem Plastikbeutel drin. Kevin Ferber nimmt den Beutel heraus, stopft weitere Klumpen blutiges Klopapier hinein und lässt auch das Messer in der Plastiktüte verschwinden. Er sammelt Nadine Gastrows Rucksack und den einen Turnschuh auf, den er ihr ausgezogen hat, damit er Jeans und Leggins von ihrem Bein herunterbekam. Er
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