Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)
Sie doch?«, fragt er.
Lara Rossbach nickt sichtlich widerwillig. »Da komme ich immer auf dem Weg zur Arbeit vorbei.«
Der Hauptkommissar schaut die Zeugin nachdenklich an. Rumpf, Arme und Beine des Toten wurden in der unmittelbaren Umgebung der Wohnung von Lara Rossbach gefunden. Der Fundort des Kopfes ist nicht weit von ihrer Arbeitsstätte in Wedding entfernt. Aber ist der jungen Frau wirklich zuzutrauen, dass sie sich an einem so brutalen Verbrechen beteiligt hat? Ist es vorstellbar, dass sie ihrem Freund geholfen hat, das Mordopfer zu zerstückeln, und dass sie den Kopf des Toten am nächsten Morgen in einer Tasche oder einem Rucksack mitgenommen hat, um ihn auf dem Weg zur Arbeit im Schäfersee zu entsorgen?
Beide Fragen beantwortet der Hauptkommissar im Stillen mit einem Ja. Es wäre nicht der erste Fall, in dem sich eine junge Frau aus Liebe zu ihrem Partner in ein blutiges Gewaltverbrechen verstrickt hat.
Er bedankt sich bei Lara Rossbach für ihre Aussage und erklärt die Zeugenvernehmung für beendet.
»Was für ein Putzmittel ist das eigentlich, mit dem Sie vorhin Ihre Wohnung geputzt haben?«, fragt er noch, als Lara Rossbach schon halb aus der Tür ist. »Der Geruch hängt Ihnen noch in der Kleidung«, fügt er hinzu. »Da hatten Sie es wohl mit besonders hartnäckigem Schmutz zu tun?«
Lara Rossbach steht wie versteinert auf der Türschwelle und starrt ihn an. Ihre Augen sind vor Schreck geweitet, ihr Mund zuckt unkontrolliert. Offenbar will sie etwas sagen, aber sie bringt kein Wort heraus.
Das war fast schon ein Geständnis, sagt sich der Hauptkommissar. Aber leider nur fast.
Im Verlauf des Wochenendes wird Hank Burren von Hauptkommissar Wittig und Oberkommissarin Lückertz stundenlang verhört. Zeitgleich schwärmen die Ermittler der Mordkommission in Oberschöneweide aus und spüren mehrere Zeugen auf, die Hank Burren und Leon Feldgärtner am 5. Juli abends in unmittelbarer Nähe der Wohnung von Lara Rossbach gesehen haben. Zwei vollbärtige junge Männer, beide stark tätowiert und betrunken, die sich lautstark unterhielten, der eine mit amerikanischem, der andere mit österreichischem Akzent – dieses sonderbare Duo hat sich etlichen Anwohnern in der Alesundstraße eingeprägt.
Unter dem Druck der Beweislast bricht Hank Burren nach insgesamt fast acht Stunden Verhör schließlich zusammen. Auch die erzwungene Alkoholabstinenz in der Untersuchungshaft macht ihm wohl zu schaffen. Am Sonntagvormittag jedenfalls zeigt er sich plötzlich gesprächsbereit.
»Ja, verdammt!«, stößt er hervor. »Leon war mit mir in Laras Wohnung. Wir haben dort weitergetrunken, und irgendwie sind wir dann in Streit geraten – ich weiß wirklich nicht mehr, weshalb. Wir haben uns gegenseitig mit den Fäusten bearbeitet – so und so!«
Er deutet Boxhiebe mit der Linken und der Rechten an.
»Aber ich wollte ihn nicht umbringen«, fährt er fort. »das ist einfach so passiert!«
Hank Burren schlägt wuchtig mit seiner linken Faust auf den Tisch des Verhörraums. »Leon hat einen linken Haken von mir abbekommen, und da ist er umgefallen. Ich habe mich gleich neben ihm hingekauert und es mit Herzmassage und sogar mit Mund-zu-Mund-Beatmung versucht.«
Burren schüttelt den Kopf und starrt auf seine Fäuste wie auf ungehorsame Kampfhunde, die ihm schon häufig Ärger eingebracht haben.
»Ich war höllisch betrunken«, fährt er fort. »Irgendwie schien es mir eine gute Idee, Leon ins Badezimmer zu schleppen und in die Wanne zu legen. Ich habe kaltes Wasser eingelassen und mir gesagt, wenn er friert, wird er schon zu sich kommen. Dann bin ich ins Bett gegangen und sofort eingeschlafen. Als ich am nächsten Morgen ins Bad gegangen bin, lag da dieser Tote in der Wanne. Mannomann!«
Er stöhnt auf und starrt düster vor sich hin.
»Mir ist erst nach und nach wieder eingefallen, was am Abend vorher passiert war«, fährt er fort. »Können Sie sich vorstellen, was das für ein Schock war?«
Hauptkommissar Wittig begnügt sich mit einem leichten Nicken. Durch unser Obduktionsgutachten weiß er, dass die Sache nicht ganz so abgelaufen sein kann, wie Hank Burren sie eben geschildert hat. Leon Feldgärtner ist nicht durch Faustschläge, sondern durch Hiebe mit einer Axt oder einem Beil in sein Gesicht und auf seinen Kopf getötet worden.
»Und was haben Sie dann gemacht?«, hakt Wittig nach.
»Mir war klar, dass der Tote wegmuss«, antwortet Hank Burren. »Also habe ich überlegt, wie ich ihn am einfachsten
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