Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)
da angerichtet hat. Sie hat wohl Probleme damit, dass ihr Mann so viel unterwegs und selten zu Hause ist. Wenn Sie mich fragen, war es eine Art Hilfeschrei. Sie wollte die Aufmerksamkeit ihres Mannes wieder auf sich lenken.«
»Gut möglich«, stimme ich ihm zu.
Erst nachdem wir uns verabschiedet und aufgelegt haben, kommt mir ein bizarres Detail in den Sinn, das zu Hellmanns Überlegung passt. Als sie das Aussehen des angeblichen Feuerteufels und Vergewaltigers schildern sollte, fielen Verena Falk zunächst nur ein paar Allerweltsattribute ein: Jeans, Lederjacke, Schweißgeruch. Das einzige individuelle Merkmal, das sie dem maskierten Täter zuschrieb, waren die lilafarbenen Damenhandschuhe.
Vielleicht wollte Frau Falk – oder wohl eher ihr Unterbewusstsein – uns damit einen Hinweis geben, überlege ich. Hinter der Maske des Feuerteufels verbarg sich niemand anderes als sie selbst.
Wie es mit Verena Falk in strafrechtlicher Hinsicht und mit ihrer Ehe weiterging, kann ich nicht sagen. Ob gegen sie ein Strafverfahren eingeleitet wurde – wegen Vortäuschung einer Straftat, möglicherweise auch wegen schwerer Brandstiftung, Körperverletzung (betreffend die von einigen Hausbewohnern erlittenen Rauchvergiftungen) oder sogar versuchten Mordes –, entzieht sich meiner Kenntnis. Bei den damals beteiligten Behörden konnte oder wollte sich niemand zu einem Verfahren gegen Verena Falk äußern. Ich könnte mir vorstellen, dass Linda Jobst als Landtagsabgeordnete und Ex-Ministerin ihre schützende Hand über ihre kleine Schwester hielt. Aber das ist nur eine Vermutung.
Gefälschte Fährten
J edem Kriminalisten und Rechtsmediziner ist bewusst, dass Spuren an einem Tatort manipuliert sein können. Indizien, die etwa einen Todesfall als Suizid erscheinen lassen – zum Beispiel ein Abschiedsbrief oder die Schusswaffe in der Hand eines mutmaßlichen Suizidenten –, können bewusst inszeniert worden sein, um ein Tötungsdelikt zu verschleiern.
Doch auch Laborergebnisse und sogar Verletzungen an den Körpern Überlebender, die vermeintlich Opfer einer schweren Straftat geworden sind, lassen sich fälschen. Dem Ideenreichtum scheinen hier kaum Grenzen gesetzt zu sein, wie einige der folgenden bizarren Fälle zeigen.
Mit List und Spucke
Um erfahrene Rechtsmediziner hinters Licht zu führen, genügt es allerdings nicht, einige Folgen Dexter oder CSI: Miami anzusehen. Dafür reicht nicht einmal ein abgeschlossenes Medizinstudium – das musste unlängst ein Berliner Arzt schmerzlich erfahren. Seine ehemalige Lebensgefährtin gab ihn als Vater ihres anderthalbjährigen Sohnes an und machte bei Gericht Unterhaltsansprüche gegen ihn geltend. Der Mediziner, Mitte 30 und neu liiert, stritt die Vaterschaft ab. Daraufhin ordnete das Gericht einen Vaterschaftstest bei uns in der Rechtsmedizin an – ein »Abstammungsgutachten«, wie diese rechtsmedizinischen Gutachten im Amtsdeutsch heißen.
Bei der genetischen Abstammungsuntersuchung wird eine Reihe von DNA-Merkmalen untersucht, die die Eltern an ihre Kinder vererben. Ein Kind erbt jeweils die Hälfte seiner DNA-Merkmale von der Mutter und vom Vater. Durch den Abgleich der Merkmale von Mutter und Kind lässt sich also feststellen, welche Merkmale in seiner Erbsubstanz das Kind vom Vater geerbt haben muss. Der Vergleich mit dem DNA-Profil des möglichen Erzeugers bringt dann Klarheit darüber, ob er der biologische Vater des Kindes ist.
Speichelproben für Vaterschaftstests werden bei uns in der Rechtsmedizin einmal wöchentlich entnommen, immer dienstags zwischen neun und zwölf. Zu diesem Termin fand sich auch besagter Arzt ein. Er legte seinen Personalausweis vor, wir machten ein Porträtfoto von ihm und nahmen seine Fingerabdrücke, wie es das Gesetz vorschreibt. Nachdem wir die Identität des Mannes festgestellt und dokumentiert hatten, wurde seine Speichelprobe genommen. Eigentlich handelt es sich um einen Mundschleimhautabstrich: Mit einem Spezial-Wattestäbchen wird leicht über die Mundschleimhaut an der Innenseite der Wangen gerieben. Entscheidend ist dabei, dass sich mit der Speichelflüssigkeit auch Mundschleimhautzellen auf dem Watteträger finden, denn aus deren Kernen wird die DNA ihres Trägers bestimmt.
Die Mitarbeiter in unserer Abteilung für Forensische Genetik staunten nicht schlecht, als sie die Probe analysiert hatten. Die DNA stammte von zwei männlichen Personen! Eines der beiden DNA-Profile wies Merkmale des Kindes auf, um dessen
Weitere Kostenlose Bücher