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Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)

Titel: Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Tsokos
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im Monat.
    Aus eigenem Entschluss sagt auch Elsa Borger als Zeugin im Mordprozess gegen ihren Mann aus. Sie fühlte sich von ihm zunehmend alleingelassen. So begann sie, im Internet nach Christoph Kästner zu suchen. Er war ihre große Liebe schon in der gemeinsam verbrachten Jugendzeit. Anfang der 1990er Jahre waren sie und Christoph für rund ein Jahr ein Paar, bis Elsa ihn verließ, Pablo Bandera heiratete und mit ihrem Mann nach Madrid ging. Für Christoph Kästner brach damals eine Welt zusammen.
    Bei ihren Recherchen im Internet fand Elsa heraus, dass Christoph mittlerweile gleichfalls verheiratet war und zwei Kinder hatte. So hinterließ sie nur ihre Mailadresse auf der Homepage der Schule, die sie beide als Jugendliche besucht hatten, und hoffte, dass er von sich aus aktiv werden würde.
    Tatsächlich machte sich auch Christoph Kästner auf die Suche nach Elsa Borger, nachdem er sich von seiner Frau getrennt hatte. Er googelte ihren Namen, wurde fündig – und von da an überschütteten die beiden sich gegenseitig mit leidenschaftlichen Mails.
    Doch zu einer persönlichen Begegnung kam es nur noch ein einziges Mal. Rund vier Monate vor seiner Ermordung trafen sie sich heimlich in Frankfurt am Main und verbrachten ein paar leidenschaftliche Stunden miteinander. Wenige Wochen vorher hatte Pablo entdeckt, dass Elsa über den anonymen Webmail-Account unverändert mit Christoph Kästner in Kontakt war. Per SMS hatte er seiner Frau gedroht, sich von ihr zu trennen und dafür zu sorgen, dass sie ihre Kinder nie mehr wiedersehen würde.
    Durch eine Aussprache zwischen den Ehepartnern kam es noch einmal zu einer oberflächlichen Versöhnung. Ende August machten Elsa, Pablo und ihre Kinder mit einer befreundeten Familie Badeurlaub in Spanien. Weder Pablo noch Elsa ließen sich anmerken, wie es um ihre Ehe stand. Aber da hatte Pablo bereits per Internet für Anfang November seine Flugreise nach Berlin gebucht.
    Um Kästner zu ermorden, wie Oberstaatsanwalt Karl Hoppenstedt dem Angeklagten vorwirft? Oder um mit dem Internet-Lover seiner Frau lediglich zu reden, wie Banderas Verteidiger behaupten?

    Kriminalhauptkommissar Paul Haack führt vor Gericht aus, warum die Version des Angeklagten nicht stimmen kann: Das Zeitfenster ist für das von Bandera behauptete Geschehen schlichtweg zu eng.
    Seine letzte Mail an Elsa Borger schickte Christoph Kästner um 00:59:35 Uhr. Vom Internet-Café bis nach Hause brauchte er sieben Minuten. Zwei Minuten später – um 01:09 Uhr – lag er bereits verblutend auf der Straße, und Diana Krüger alarmierte die Notrufzentrale. In diesen kaum zwei Minuten können weder der von Bandera geschilderte Wortwechsel noch die angeblich folgende Rangelei stattgefunden haben – und schon gar nicht beide Geschehnisse hintereinander. Die Zeit reichte nur für den sofortigen Angriff auf das ahnungslose Opfer.
    Das Gericht wird sich dieser Argumentation in der Urteilsbegründung anschließen: So wie der Angeklagte seine Begegnung mit Christoph Kästner dargestellt hat, kann sie sich keinesfalls abgespielt haben. Doch was ist stattdessen in den entscheidenden zwei Minuten passiert?
    Auch auf diese Frage erhält das Gericht eine präzise und unwiderlegbare Antwort – und zwar durch unser Obduktionsergebnis, das mein Kollege Dr. Lilienthal als Sachverständiger während der Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht erläutert.

    Laut Pablo Bandera hielten er und Kästner bei ihrer Rangelei beide den Griff des Messers umklammert, dessen Klinge auf Kästners Körper gerichtet war. Schon das lässt sich kaum nachvollziehen: Wenn Kästner wirklich versucht hätte, Bandera das Messer zu entwinden, wäre die Spitze der Waffe nicht auf seinen Körper gerichtet geblieben. Außerdem hätten wir dann bei der Untersuchung der Leiche Kästners Abwehrverletzungen an seinen Händen oder Unterarmen feststellen müssen.
    Darüber hinaus hat die Obduktion zwei weitere Befunde erbracht, die mit dem von Bandera geschilderten Tathergang vollkommen unvereinbar sind. Erstens kann der fast horizontal verlaufende, zirka 14 Zentimeter lange Stichkanal durch Kästners Unterbauch keinesfalls während einer Rangelei entstanden sein, bei der beide um das Messer kämpften; ein solcher Stichkanal lässt sich nur mit einem überraschenden Angriff erklären, der dem Angegriffenen keine Möglichkeit der Gegenwehr lässt. Und zweitens, noch schwerer wiegend, zeigt das Verletzungsbild in der Tiefe des Bauchraums, dass der Angreifer

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