Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)
Abwehrverletzungen an Händen und Unterarmen auf, wie sie bei einem vorausgehenden Kampf unvermeidlich wären.
Die Indizien überzeugen den zuständigen Oberstaatsanwalt, und sie überzeugen auch den Untersuchungsrichter: Bereits drei Tage nach der Bluttat erlässt das Amtsgericht Berlin-Tiergarten wegen dringenden Mordverdachts einen internationalen Haftbefehl gegen Pablo Bandera. Noch am selben Tag wird er an seinem Arbeitsplatz in Madrid verhaftet und im Gefängnis Madrid-Valdemoro in Auslieferungshaft genommen. Seit seiner Rückkehr von Berlin nach Madrid sind gerade einmal 48 Stunden vergangen.
Zwei Wochen darauf wird Bandera in die Untersuchungshaft nach Berlin-Moabit überführt und von den Kriminalkommissaren Haack und Gartner erstmals förmlich vernommen. Bandera räumt ohne weiteres ein, dass er nach Berlin geflogen und mit dem Mietwagen zu Christoph Kästners Adresse gefahren sei. Aber seine Absichten seien vollkommen harmlos gewesen.
»Mir war klargeworden, dass meine Frau mich verlassen und unsere Kinder mitnehmen würde«, erklärt er mit Hilfe eines Dolmetschers. Deshalb sei er nach Berlin geflogen, und nur deshalb habe er diesen Flug im August schon vorsorglich gebucht. »Ich wollte mir die Stadt ansehen, in der meine Kinder künftig leben würden. Und ich wollte versuchen, mit dem Mann zu sprechen, der meine Familie zerstört hat.«
»Wenn Sie mit Kästner nur sprechen wollten«, hakt Haack nach, »wozu haben Sie dann kurz vor Ihrem Zusammentreffen ein Fleischermesser mit 18 Zentimeter langer Klinge gekauft?«
Auch das könne er erklären, behauptet Bandera. Das Messer habe er erst gekauft, als er die Hoffnung schon aufgegeben habe, mit dem Deutschen sprechen zu können. Von Nachmittag bis Abend habe er immer wieder an Kästners Tür geklingelt, aber es habe niemand aufgemacht. Er habe stundenlang im Auto gewartet, sei zwischendurch spazieren gegangen und habe es dann wieder probiert. »Aber Kästner war nicht da, und irgendwann abends wurde mir klar, dass ich nicht mit ihm sprechen konnte.«
»Aber warum haben Sie dann das Messer gekauft?«, fragt Gartner. »Das ergibt doch keinen Sinn!«
Pablo Bandera wirkt tödlich beleidigt. Im Juli sei er schon einmal in Berlin gewesen und habe im Mietwagen übernachtet, erklärt er im Tonfall gekränkter Würde. Damals habe er sich nachts im Auto nicht sicher gefühlt, und daran habe er sich erinnert, als er sich im Supermarkt mit Proviant versorgt habe. Einzig aus diesem Grund habe er auch noch das Messer gekauft. »Eigentlich wäre mir ein Taschenmesser lieber gewesen«, behauptet er. »Aber in dem Laden gab es keine kleinen Messer zu kaufen.«
Haack und Gartner glauben ihm kein Wort. Seine Geschichte klingt von vorne bis hinten konstruiert. Doch um ihn des Mordes an Christoph Kästner zu überführen, müssen sie seine Version des Geschehens widerlegen. Also lassen ihn die Ermittler reden. Je detaillierter ein Beschuldigter seine Geschichte ausspinnt, desto größer ist die Chance, dass man ihm Ungereimtheiten und Widersprüche nachweisen kann.
Mit seiner Einkaufstüte, in der sich auch das Messer befand, erzählt Bandera weiter, sei er zum Mietwagen zurückgekehrt, den er schräg gegenüber von Kästners Haustür geparkt hatte. »Ich wusste nicht recht, wohin mit dem Messer«, behauptet er. »Ich hatte Angst, mich versehentlich damit zu verletzen, wenn ich in die Tüte greifen würde, um etwas von meinem Proviant herauszunehmen. Das Messer offen ins Auto zu legen schien mir auch nicht sicher. Eine Weile überlegte ich hin und her, bis ich auf die Idee kam, das Messer, in eine Zeitung eingewickelt, in die Innentasche meiner Jacke zu stecken.«
Die Geschichte wird immer bizarrer, denkt Gartner. »Und dort in Ihrer Jacke schien Ihnen das Messer also sicher?«, fragt er nach.
Der Spanier nickt. »Die Klinge war ja mit einer Plastikhülle versehen«, erklärt er. »Da ich das Messer zusätzlich in die Zeitung gewickelt hatte, konnte eigentlich nichts passieren.«
Abgesehen davon, dass sich das angeblich so gut gesicherte Messer in Kästners Bauch gebohrt hat, sagt sich der Hauptkommissar.
»Gegen Mitternacht wollte ich gerade losfahren, um mir einen Platz zum Übernachten zu suchen«, fährt Pablo Bandera fort. »Da ging die Haustür auf, an der ich so oft vergeblich geklingelt hatte, und ein Mann trat hinaus.« Er habe nicht gewusst, wie Christoph Kästner aussehe, aber er sei kurz entschlossen noch einmal ausgestiegen und dem Mann
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