Die Klaviatur des Todes: Deutschlands bekanntester Rechtsmediziner klärt auf (German Edition)
hinterhergelaufen. »Heißen Sie Bernhard?«, habe er den Mann gefragt, und der habe bejaht. »Weil ich nur wenig Deutsch kann«, erklärt Bandera weiter, »hatte ich mir vor meiner Reise nach Berlin einige Fragen auf Deutsch zurechtgelegt. »Kann ich Sie kurz sprechen?«, habe er weitergefragt. Kästner habe geantwortet, er müsse für eine Stunde noch mal weggehen, doch dann könnten sie miteinander reden. »Ich erklärte mich einverstanden«, behauptet Bandera, »und nach einer Stunde kam Kästner tatsächlich zurück.«
»Hat er Sie denn nicht gefragt, wer Sie sind und was Sie von ihm wollen?«, wundert sich Haack.
Pablo Bandera schüttelt den Kopf und schaut den Hauptkommissar erneut beleidigt an. Haack gewinnt mehr und mehr den Eindruck, dass der Spanier zwischen Fantasie und Wirklichkeit nicht so ganz genau zu unterscheiden vermag. Aber wie ein Geistesgestörter kommt er ihm auch wieder nicht vor.
»Wussten Sie denn nicht, wie Kästner aussieht?«, hakt auch Gartner nach. »Sie sind doch eigens nach Berlin gereist, um mit ihm zu sprechen! Warum haben Sie sich da vorher kein Foto von ihm besorgt?«
»Wie hätte ich das denn machen sollen?«, fragt Bandera zurück und schaut noch gekränkter drein. »Ich kannte ihn ja nur aus den verlogenen Liebesbeteuerungen, die er meiner Frau geschrieben hat.«
Der Oberkommissar verkneift sich die naheliegende Antwort: Christoph Kästner war ein zumindest regional recht bekannter Amateurschauspieler. Mit ein paar Mausklicks hätte sich Bandera Fotografien des Mannes herunterladen können, den er angeblich so dringend sprechen wollte. Und das hat er zweifellos auch getan, sagt sich Gartner. Dass Bandera ein geübter Internet-Nutzer ist, hat er ja mehrfach unter Beweis gestellt – bei der Online-Buchung von Flügen und Mietwagen und beim Ausspionieren der Mail-Accounts seiner Frau.
»Aus welchem Grund glaubten Sie denn«, fragt nun wieder Haack, »dass Kästner ein falsches Spiel mit Ihrer Frau spielte?«
»Er selbst hat es mir ins Gesicht gesagt«, antwortet Bandera prompt. »Ich stellte mich ihm vor und fragte ihn, wie es um seine Beziehung zu Elsa stehe. Kästner lachte auf und antwortete: ›Schön, aber unmöglich. Sie macht, was ich will, aber für mich ist das alles nur ein Spiel.‹«
In den zurückliegenden Wochen haben die Ermittler etliche weitere Personen aus Christoph Kästners beruflichem und privatem Umfeld befragt. Alle haben ihn als aufrichtigen und zugewandten Menschen geschildert, der niemals hämisch über andere sprechen würde. Und schon gar nicht über Elsa, seine große Liebe, von der er auch seinen Arbeitskollegen und den Schauspielern in seiner Theatergruppe immer wieder vorgeschwärmt hat.
»Das muss Sie aber sehr wütend gemacht haben«, sagt Haack, »dass Kästner so abfällig von Ihrer Frau gesprochen hat.«
Pablo Bandera räumt ein, dass er »befremdet« gewesen sei. Trotzdem habe er sich freundlich von dem anderen Mann verabschiedet. Doch gerade als er gehen wollte, habe Kästner das Messer in seiner Jacke bemerkt. »Was ist das denn?«, habe er ausgerufen und nach dem Messer gegriffen.
»Er riss mir das Messer aus der Tasche«, behauptet Bandera, »und wickelte es aus der Zeitung. Dabei muss sich auch die Plastikhülle gelöst haben, in der die Klinge steckte. Kästner hielt das Messer so, dass die Spitze gegen seinen eigenen Körper gerichtet war«, fährt der Spanier fort. »Ich griff reflexartig danach, um es ihm wieder wegzunehmen, und da kam es zu einer Rangelei. Dabei geriet Kästner ins Stolpern und stieß mit dem Rücken gegen das Geländer am Gehweg. Ich fiel auf ihn, weil wir ja beide immer noch das Messer festhielten, und Kästner stieß einen lauten Schrei aus. Vor Schreck ließ ich das Messer los und ging einen Schritt zurück.«
»Spätestens da müssen Sie aber doch gesehen haben, was passiert war«, wirft Haack ein.
Pablo Bandera schüttelt den Kopf. »Das Messer lag auf dem Gehweg. An der Klinge war kein Blut zu sehen. Auf die Idee, dass er sich damit verletzt haben könnte, bin ich gar nicht gekommen – ich dachte nur, vielleicht hat er sich bei dem Aufprall am Rücken weh getan.«
Er habe sich umgedreht und sei in Richtung Park davongegangen. Kästner sei ihm schimpfend gefolgt und habe ihm sogar das Messer nachgeworfen, ihn aber glücklicherweise nicht getroffen. »Es entstand nur ein schreckliches Geräusch in der Stille der Nacht. Kästner hob das Messer wieder auf und ging in Richtung seiner Wohnung«,
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