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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Tage dauert, dann kann es jeden Augenblick passieren, daß wir Thuillier ins Irrenhaus sperren müssen.«
    »Die Broschüre kann in zwei Tagen erscheinen; aber, Tantchen, spielen Sie auch wirklich mit offenen Karten? Die Berge können nicht zueinander kommen, wie man sagt, aber die Menschen; und sobald der Termin für die Wahl feststehen wird, bin ich in der Lage, Thuillier gute oder schlechte Dienste zu leisten. Stellen Sie sich vor, was ich neulich für eine schreckliche Angst gehabt habe. Ich hatte einen Brief von ihm bei mir, in dem er von der Broschüre sprach, als ob ich der Verfasser wäre. Nun habe ich einen Moment geglaubt, ich hätte den Brief im Luxembourg verloren. Das hätte einen netten Tanz in dem Bezirk gegeben!«
    »Werde ich etwa versuchen, Schlauköpfe wie Sie hinters Licht zu führen?« sagte die alte Jungfer, die die Drohung in seinem letzten Satze, den er unvermittelt in die Unterhaltung geworfen hatte, wohl verstand. »Aber«, fügte sie hinzu, »was haben Sie uns eigentlich vorzuwerfen? Haben Sie uns nicht vielmehr mit Ihren Versprechungen im Stich gelassen? Mit dem Kreuz, das er binnen acht Tagen erhalten, und mit der Broschüre, die längst erschienen sein sollte?«
    »Die Broschüre und das Kreuz, die werden eins nach dem andern kommen«, sagte la Peyrade und erhob sich. »Sagen Sie Thuillier, er soll morgen abend zu mir kommen, ich denke, wir können dann schon die letzten Korrekturbogen durchsehen. Aber vor allem hören Sie nicht zu sehr auf die Bosheiten der Frau von Godollo: ich habe den Eindruck, daß sie, um hier Herrin im Hause zu werden, alle Ihre Freunde herausdrängen will, und daß sie außerdem ein Auge auf Thuillier geworfen hat.«
    »Ich muß wirklich achtgeben«, sagte die alte Jungfer, die der bösartige Advokat beim Weggehen noch an ihrer empfindlichen Stelle, ihrer Autorität, getroffen hatte, »in bezug auf das, was Sie mir eben gesagt haben; sie ist ein bißchen kokett, die kleine Frau.«
    Sein geschickt hingeworfener letzter Satz brachte la Peyrade noch einen andern Vorteil: aus der Antwort Brigittes konnte er ersehen, daß die Gräfin seinen Besuch bei ihr an diesem Tage nicht erwähnt hatte. Dieses Verschweigen konnte einen tiefen Sinn haben.
     
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    Vier Tage darauf hatten der Drucker, der Buchbinder und der Papierlieferant ihre Pflicht getan, und Thuillier konnte gegen Abend das unaussprechliche Glück genießen, einen Rundgang über die Boulevards bis zur Passage und zum Palais Royal zu machen. Auf alle Buchhändlerschaufenster warf er einen Blick, wenn er auf einer gelben Anzeige den bekannten Titel las:
    Über Steuern und Amortisation
von J. Thuillier
Generalratsmitglied des Seinebezirks.
    Da er zu der Überzeugung gelangt war, daß er sich durch seine sorgsamen Korrekturen das Verdienst an der Arbeit selbst zuzuschreiben hätte, floß ihm, wie dem Raben in der Fabel, das Herz vor Freude über. Es muß erwähnt werden, daß er nur wenig Achtung für die Buchhändler aufbringen konnte, die den Verkauf dieser »Neuheit« nicht ankündigten, die nach seiner Meinung ein europäisches Ereignis werden mußte. Ohne sich darüber klarzuwerden, in welcher Weise er sie für ihre Gleichgültigkeit würde zur Rechenschaft ziehen können, notierte er sich für alle Fälle diese rebellischen Firmen, die er haßte, als ob sie ihm einen Schabernack gespielt hätten.
    Den nächsten Tag verbrachte er in köstlicher Weise damit, daß er eine Anzahl Ankündigungsbriefe schrieb und einige fünfzig Exemplare unter Kreuzband versandte, denen seine eigenhändige Aufschrift der hergebrachten Worte »vom Verfasser überreicht« nach seiner Meinung einen unschätzbaren Wert verlieh.
    Aber der dritte Tag nach dem Erscheinen tat seinem Glücksgefühl etwas Abbruch. Er hatte sich als Verleger einen jungen Mann ausgesucht, der halsbrecherische Buchhandelsgeschäfte machte und sich vor kurzem in der Panoramapassage etabliert hatte, wo er eine unerschwingliche Miete bezahlte. Er war ein Neffe des Buchhändlers Barbet, Brigittes Mieter in dem Hause in der Rue Saint-Dominique-d'Enfer, mit dem sie Wechselgeschäfte machte; dieser Barbet junior war ein junger Mensch, der sich zu allem fähig hielt, und als er Thuillier von seinem Onkel vorgestellt wurde, hatte er sich dafür verbürgt, daß, wenn man mit Annoncen nicht sparen würde, nach Verlauf einer Woche eine zweite Auflage nötig sein werde.
    Thuillier hatte für die Veröffentlichung schon fast fünfzehnhundert Franken ausgegeben; eine

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