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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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Anspruch erhebt, sich zur Richtschnur nehmen.«
    »Und als Sie den in Konkurs geratenen Notar ausbeuteten?« rief Corentin. »Als Sie einen Kadaver bestahlen, um die Thuilliers zu bereichern, nahmen Sie damals Rücksicht auf Ihre Selbstachtung und die Vorschriften Ihres Standes? Und wer weiß, was für andere dunkle Handlungen sich in Ihrem Leben noch finden! Ich habe mehr Anspruch darauf, für einen ehrenhaften Mann zu gelten als Sie, denn abgesehen von meiner Berufstätigkeit habe ich mir auch nicht eine einzige zweifelhafte Handlung vorzuwerfen, und wo ich konnte, habe ich immer und überall Gutes getan. Glauben Sie, daß ich in den elf Jahren, wo ich diese Geisteskranke behüte, immer auf Rosen gebettet war? Aber es ist die Tochter Ihres Onkels, meines alten Freundes; und wenn ich nun im Gedenken daran, daß meine Tage gezählt sind, Sie bitte, für schönes bares Geld mich auf diesem Posten abzulösen ...«
    »Wie?« sagte la Peyrade, »diese Kranke ist die Tochter meines Onkels la Peyrade?«
    »Ja, mein Herr, das Mädchen, das ich Ihnen zur Frau geben will, ist die Tochter Peyrades, denn er hatte seinen Namen demokratisiert, oder wenn Sie lieber wollen, die Tochter des Vaters Canquoëlle, des Pseudonyms, das er nach dem kleinen Gut Canquoëlle annahm, auf dem Ihr Vater mit elf Kindern kaum zu leben hatte. Kenne ich Ihre Familie, trotz der Verschwiegenheit, die Ihr Onkel in bezug auf sie bewahrte, nicht ganz genau? Habe ich nicht, bevor ich Sie für Ihre Kusine bestimmte, die genauesten Erkundigungen eingezogen? Sie verziehen den Mund über die Polizei; aber, wie das Volk sagt, sie steht Ihnen ja noch am besten zu Gesicht; Ihr Onkel gehörte zu ihr, und dank der Polizei war er der Vertraute, ich möchte beinahe sagen der Freund Ludwigs XVIII., der ein außerordentliches Vergnügen an seiner Unterhaltung fand; Ihre Kusine ist ein echtes Kind ihres Vaters; Ihrem Charakter und Ihrem Geiste entsprechend, muß Ihr ganzes Wesen aus der törichten Lage, die Sie sich geschaffen haben, heraus nach der Lösung streben, die ich Ihnen vorschlage; das bedeutet, daß Sie an meine Stelle treten sollen, daß Sie, machen Sie sich das klar, der Nachfolger Corentins werden sollen, mein Herr! Und Sie glauben, daß ich Sie nicht wie ein Lehen einziehen werde, und daß Sie mir mit törichten Erwägungen bourgeoiser Eitelkeit entschlüpfen werden?«
    La Peyrade mußte in Wahrheit doch nicht so eigensinnig auf seiner Ablehnung bestehen, wie es den Anschein hatte, denn der Eifer des großen Polizeimannes und die Art, wie er sich seiner Person bemächtigen wollte, ließen seine Lippen sich zu einem Lächeln verziehen.
    Corentin war inzwischen aufgestanden und durchmaß das Zimmer, in dem die Unterhaltung stattfand, mit großen Schritten, während er mit sich selbst zu sprechen schien.
    »Die Polizei!« rief er aus. »Von ihr kann man dasselbe sagen, was Basilio zu Bartolo von der Verleumdung sagt: ›Die Polizei, mein Herr! Die Polizei, Sie wissen nicht, was Sie da gering achten!‹ Und wer schätzt sie denn wirklich gering?« fuhr er fort. »Die Schwachköpfe, die nichts besseres wissen, als das zu mißachten, worauf ihre Sicherheit beruht. Schaffen Sie die Polizei ab, so ist auch die Zivilisation erledigt. Und verlangt sie denn Hochachtung von diesen Leuten? Sie will ihnen nur ein Gefühl einflößen: Furcht, den starken Stock, mit dem man die Menschen regiert, diese gemeine Rasse, deren niedrige Instinkte man selbst mit der Hilfe Gottes, der Hölle, des Henkers, und der Gendarmen kaum zu bändigen vermag.«
    Dann fuhr er, vor la Peyrade stehen bleibend und ihn mit verächtlichem Lächeln musternd, in seinem Hymnus fort:

»Gehören Sie etwa auch zu diesen Narren, die in der Polizei nur einen Haufen von Spionen und Angebern sehen, und denen niemals der Gedanke gekommen ist, daß in dieser Uniform auch kluge Politiker, Diplomaten ersten Ranges, Richelieus stecken können? Aber Merkur, mein Herr, Merkur, der geistvollste der heidnischen Götter, war er nicht die Inkarnation der Polizei? Es ist richtig, er war auch der Gott der Diebe. Wir sind also mehr wert als er, denn wir versteigen uns nicht so weit.«
    »Dennoch«, warf la Peyrade ein, »ist Vautrin, der berüchtigte Chef der Sicherheitspolizei ...«
    »Gewiß!« entgegnete Corentin, seine Promenade wieder aufnehmend, »in den Untiefen gibt es immer Schlamm, und trotzdem, täuschen Sie sich nicht darüber, ist Vautrin ein genialer Mensch, den nur seine Leidenschaften, ebenso wie

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