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Die Kleinbürger (German Edition)

Die Kleinbürger (German Edition)

Titel: Die Kleinbürger (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Honoré de Balzac
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aber sie erweckte den Anschein eines würdevollen Protestes, durch den seine Eigenliebe nicht verletzt wurde.
    Endlich schrieb er ein paar Zeilen an Thuillier, in denen er ihm mitteilte, daß er infolge seines Besuchs bei du Portail sich gezwungen sehe, einem andern Heiratsprojekt näher zu treten. Er gebe also Thuillier sein Wort zurück und hielte sich auch an das seinige nicht mehr gebunden. Alles das war kühl und ohne Bedauern über seinen Heiratsverzicht gesagt. In einer Nachschrift fügte er noch hinzu: »Über meine Stellung bei der Zeitung werden wir noch sprechen«, womit er andeutete, daß er sie eventuell aufgeben würde.
    Er behielt eine Abschrift dieses Briefes zurück, und als er eine Stunde später in Corentins Arbeitszimmer nach dem Ergebnis seiner Erwägungen gefragt wurde, gab er statt einer Antwort dem großen Polizeimann den Eheverzicht, den er eben niedergeschrieben hatte, zu lesen.
    »Schön,« sagte Corentin; »aber Ihre Stellung bei der Zeitung werden Sie vielleicht noch einige Zeit beibehalten müssen; die Kandidatur dieses Dummkopfs stört die Pläne der Regierung, und wir werden noch davon zu sprechen haben, wie wir den Absichten des Herrn Munizipalrats ein Bein stellen; als allmächtiger Chefredakteur werden Sie vielleicht Gelegenheit haben, ihm irgendeinen hübschen Streich zu spielen, und ich glaube nicht, daß sich Ihr Gewissen gegen eine solche Mission erheblich sträuben wird.«
    »Gewiß nicht!« sagte la Peyrade; »die Erinnerung an die Demütigungen, die ich so lange habe ertragen müssen, wird mich sogar ein besonderes Vergnügen daran finden lassen, dieser kleinbürgerlichen Sippe eins zu versetzen.«
    »Seien Sie vorsichtig!« sagte Corentin, »Sie sind noch jung und müssen sich vor solchen galligen Regungen hüten. In unserm strengen Beruf dürfen wir nichts lieben und nichts hassen. Die Menschen sind für uns, je nach ihrer Qualität, hölzerne oder elfenbeinerne Figuren, mit denen wir unsere Schachpartien spielen. Wir müssen sein wie das Schwert, das niederfällt auf das, was man ihm zum Zerhauen vorlegt, das aber allein dafür zu sorgen hat, daß es geschliffen ist, und gegen niemand gutgesinnt oder übelwollend ist. Jetzt aber wollen wir von Ihrer Kusine sprechen, der Sie, wie ich annehme, begierig sind, vorgestellt zu werden.«
    La Peyrade brauchte keinen Eifer zu heucheln, denn er verlangte in der Tat sehr danach.
    »Lydia de la Peyrade«, sagte Corentin, »ist fast dreißig Jahr alt; aber ihre Jungfräulichkeit, die sie im Verein mit ihrer leichten Geisteskrankheit von allen Leidenschaften, allen Gedanken, allen Eindrücken, die den Menschen verbrauchen, fernhielt, hat sie gewissermaßen in ewiger Jugend erhalten. Sie würden Sie kaum für zwanzigjährig halten; sie ist blond und schlank; ihr außerordentlich feingeschnittenes Gesicht ist vor allem durch den Ausdruck himmlischer Güte auffallend. Infolge der schrecklichen Katastrophe, bei der ihr Vater zugrunde ging, ihres Verstandes beraubt, hat sich eine fixe Idee ihrer bemächtigt: sie hat beständig im Arm oder neben sich ein Wäschebündel, das sie wiegt und dem sie alle Sorgfalt wie einem kranken Kinde angedeihen läßt; ausgenommen Bruneau, meinen Kammerdiener, und mich, die sie kennt, hält sie jeden andern Mann für einen Arzt, den sie konsultiert und wie ein Orakel anhört. Eine Krisis, die vor kurzer Zeit bei ihr ausbrach, hat Horace Bianchon, diesen Fürsten der Wissenschaft, davon überzeugt, daß sie ihre Vernunft wiedergewinnen würde, wenn an Stelle dieser lange dauernden Komödie der Mütterlichkeit die Wirklichkeit treten könnte. Wäre das nicht ein erstrebenswerter Versuch, dieses Gemüt, denn Tag nur leicht verschleiert ist, wieder dem vollen Licht zuzuführen? Und meinen Sie nicht auch, daß das Band der Verwandtschaft, das Sie mit ihr verbindet, Sie ganz besonders berufen erscheinen läßt, diesen Heilungsversuch zu unternehmen, noch dazu, da für Bianchon und noch zwei andere hervorragende Ärzte, die mit ihm über den Zustand der Kranken beraten haben, kein Zweifel an einem glücklichen Erfolge besteht? Jetzt will ich Sie zu Lydia bringen; denken Sie daran, daß Sie Ihre Rolle als Arzt gut spielen; denn die einzige Möglichkeit, sie ihre gewöhnliche Sanftmut aufgeben zu lassen, besteht darin, daß man nicht auf ihren ewigen Wunsch noch einer Konsultation eingeht.« Nachdem sie mehrere Zimmer durchschritten hatten, wollte la Peyrade und sein Führer gerade dasjenige betreten, in dem sich Lydia

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