Die Kleinbürger (German Edition)
gern in ihrem Salon sehen und erkundigten sich bei Dutocq über ihn. Der Gerichtsvollzieher äußerte sich über ihn, wie es neidische Leute zu tun pflegen, und wenn er dem jungen Manne auch Gerechtigkeit widerfahren ließ, so bemerkte er doch, daß er auffallend geizig sei, was sich allerdings aus seiner Armut erklären lassen könne.
»Ich besitze übrigens eine Auskunft über ihn. Er gehört zu der Familie de la Peyrade, einer alten Familie der Grafschaft Avignon; er ist gegen Ende des Jahres 1829 hierhergekommen, um Nachforschungen nach einem Onkel anzustellen, dessen Vermögen für bedeutend galt; er hat schließlich die Wohnung dieses Verwandten drei Tage nach dessen Tode aufgefunden, und die Möbel des Verstorbenen haben gerade dazu hingereicht, die Kosten der Beerdigung und die Schulden zu bezahlen. Ein Freund dieses nutzlosen Onkels hat dann unserm Vermögenssucher hundert Louisdor zukommen lassen und ihn veranlaßt, Jura zu studieren und sich der Rechtskarriere zu widmen; mit diesen hundert Louisdors hat er seinen Lebensunterhalt in Paris drei Jahre hindurch bestritten und wie ein Einsiedler gelebt; da er aber niemals etwas über seinen unbekannten Beschützer erfahren konnte, so befand sich der arme Student im Jahre 1833 in großer Not.
Er warf sich nun, wie damals viele Rechtskandidaten, auf die Politik und die Literatur und war so eine Zeitlang der Bedürftigkeit überhoben; von seiner Familie hatte er nichts zu erwarten: sein Vater, der jüngere Bruder des in der Rue des Moineaux verstorbenen Onkels, hat elf lebende Kinder, die von dem Ertrag einer kleinen Besitzung, Canquoelles genannt, leben.
Schließlich erhielt er eine Stellung bei einer offiziösen Zeitung, deren verantwortlicher Leiter der bekannte Cerizet war, der so berühmt geworden ist durch die Verfolgungen, die er unter der Restauration wegen seiner Anlehnung an die Liberalen erlitten hat, und dem die Männer der neuen Linken seine offiziöse Stellung nicht verzeihen wollen. Ebenso wie heute die Regierung ihre treuesten Diener sehr wenig schützt, wie die Affäre Gisquet beweist, ebenso haben die Republikaner Cérizet schließlich zugrunde gerichtet. Ich erwähne das, um Ihnen zu erklären, wie es kam, daß Cerizet jetzt Sekretär in unserer Gerichtsschreiberei ist.
Zu der Zeit also, wo er als Leiter eines von dem Minister Perier auf gefährliche Zeitungen, wie die Tribüne und andere, losgelassenen Blattes in Ansehen stand, war Cérizet, alles in allem ein guter Kerl, der aber die Weiber, gutes Essen und Vergnügungen ein bißchen zu sehr liebt, dem Theodosius sehr nützlich, der bei ihm politischer Redakteur war; und ohne den Tod Casimir Periers wäre der junge Mann Staatsanwaltsgehilfe geworden. In den Jahren 1834 und 1835 geriet er, trotz seiner Begabung, wieder ins Elend, denn seine Mitarbeiten einem Regierungsblatt hat ihm geschadet. ›Ohne meine religiösen Grundsätze‹, sagte er einmal zu mir, ›hätte ich mich damals in die Seine gestürzt.‹ Anscheinend hat schließlich der Freund seines Onkels von seiner üblen Lage gehört und hat ihm so viel zugewendet, daß er sich als Advokat eintragen lassen konnte; Namen und Wohnung seines unbekannten Beschützers kennt er aber immer noch nicht. Nach alledem ist unter solchen Umständen seine Sparsamkeit entschuldbar, und es bedarf eines festen Charakters, um alles abzulehnen, was ihm die armen Teufel anbieten, die durch seine aufopfernde Tätigkeit ihre Prozesse gewinnen. Es ist wirklich unwürdig, wenn, wie man sieht, Leute darauf spekulieren, daß die Armen nicht in der Lage sind, die Kosten für einen Prozeß aufzubringen, den man ihnen ungerechterweise angehängt hat. Oh, der wird schon seinen Weg machen, und es würde mich nicht in Erstaunen setzen, wenn ich diesen Jungen mal in sehr glänzender Stellung sehen würde; er besitzt Zähigkeit, Ehrlichkeit und Mut; er arbeitet und büffelt.«
Trotz der Freundlichkeit, mit der er empfangen worden war, ließ sich la Peyrade nur selten bei Thuilliers sehen. Erst als man ihm wegen seiner Zurückhaltung Vorwürfe machte, zeigte er sich häufiger, erschien schließlich an allen Sonntagen, wurde zu allen Diners eingeladen und endlich so vertraut im Hause, daß man ihn, wenn er um vier Uhr kam, um mit Thuillier zu sprechen, nötigte, zwanglos an dem täglichen Essen teilzunehmen. Fräulein Thuillier sagte sich dann
›Wir sind so wenigstens sicher, daß er gut zu essen bekommt, der arme junge Mensch!‹
Eine soziale Erscheinung, die
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