Die kleine Schwester
schnell?«
»Was Zweistelliges. Hier, bei mir; wartet auf Sie. Ich halte es warm.«
»Ich höre es schnurren«, sagte ich. »Wo >hier(, wo wartet es?«
Ich hörte die Stimme zweimal, einmal, als ich es hörte, und noch mal das Echo in meinem Kopf.
»Zimmer 332, Van Nuys Hotel. Klopfen Sie zweimal schnell, zweimal langsam. Nicht zu laut. Ich brauche Tempo. Wie schnell können Sie ... «
»Was ist denn das, was ich aufheben soll?«
»Das kann warten, bis Sie hier sind. Ich sagte, ich hab's eilig.«
»Wie ist Ihr Name?«»Einfach Zimmer 332.«
»Besten Dank für die Mühe«, sagte ich. »Adieu.«
»Halt. Warten Sie doch, Idiot! Es ist keine heiße Ware oder was Sie denken. Kein Eis.
Keine Juwelengehänge. Es ist eben zufällig eine Menge Geld wert - für mich, und für alle anderen wertlos.«
»Ihr Hotel hat ein Safe.«
»Wollen Sie in Armut sterben, Marlowe?«
»Warum nicht? Rockefeller starb arm. Noch mal Adieu.«
Die Stimme veränderte sich. Sie verlor ihre Weichheit. Sie sagte scharf und schnell:
»Wie steht's denn so in Bay City?«
Ich sagte nichts. Wartete nur. Durch den Draht kam ein schwaches Glucksen. »Ich dachte, es würde Sie interessieren, Marlowe. Also Zimmer 332. Steigen Sie ein, mein Freund. Machen Sie los.«
Aus dem Hörer knackte es mir ins Ohr. Ich legte auf. Ohne jeden Grund rollte ein Bleistift vom Schreibtisch runter, seine Spitze traf den Glas-Untersetzer eines der Schreibtischbeine und brach ab. Ich hob ihn auf und spitzte ihn langsam und sorgfältig mit der Bleistiftspitzmaschine, die am Fensterbord angeschraubt war; dabei drehte ich den Bleistift, damit es schön gleichmäßig wurde. Ich legte ihn in den Behälter auf dem Schreibtisch und klopfte meine Hände ab. Zeit hatte ich, soviel ich wollte. Ich blickte aus dem Fenster. Ich sah nichts. Ich hörte nichts.
Mit noch weniger Grund sah ich auf einmal Orfamay Quests Gesicht ohne die Brille und gepudert und angemalt und mit blondem Haar, vorne hochfrisiert und in der Mitte ein Band drumgebunden. Ich versuchte, mir dieses Gesicht vorzustellen, in Großaufnahme, wie es gerade von irgendeinem Supermann aus der Romanoff Bar, einem von der zügellosesten Sorte, angeknabbert wurde.
Ich brauchte neunundzwanzig Minuten, um zum Van Nuys Hotel zu kommen.
8
Früher mal, lange her, besaß es wohl eine gewisse Eleganz. Das war vorbei.
Erinnerungen an alte Zigarren hingen in der Lobby wie die verschmutzte Vergoldung an der Decke und wie die durchgedrückten Federn seiner ledernen Klubsessel. Der Marmor am Empfangspult war gelbbraun vor Alter. Aber der Bodenbelag war neu und hatte etwas Drahtiges, wie der Zimmerportier. Ich überging ihn und wanderte hinüber zum Zigarrenstand an der Ecke, wo ich ein 25-Cent-Stück hinlegte, für eine Packung Camel. Das Mädchen hinter der Theke war strohblond, sie hatte einen langen Hals und müde Augen. Sie legte die Zigaretten vor mich hin, dazu ein Heftchen Streichhölzer, und steckte mein Wechselgeld in den Schlitz einer Büchse mit der Aufschrift >Der Gemeinde-Fonds dankt Ihnen<.
»Das war Ihnen doch recht, nicht wahr?« sagte sie und lächelte rührend. »Das war Ihnen doch recht, daß Ihr Geld an die armen, kleinen, hilflosen Kinder geht, mit krummen Beinen und so, ja?«
»Und wenn's mir nicht recht wäre?« sagte ich.
»Ich hole die sieben Cents wieder raus«, sagte das Mädchen, »aber das würde sehr weh tun.« Sie hatte eine tiefe, gedehnte Stimme mit etwas wie einer feuchten Liebkosung drin, wie ein feuchtes Badetuch. Ich ließ den sieben Cents noch ein Vierteldollarstück folgen. jetzt bekam ich das extragroße Lächeln von ihr. Es brachte ihre Mandeln besser zu Geltung.
»Sie sind sehr nett«, sagte sie. »Das sieht man gleich. Viele Kerle wären daher gekommen und hätten einem Mädchen Anträge gemacht. Stellen Sie sich vor. Wegen sieben Cents. Einen Antrag.«
»Wer ist denn jetzt Geschäftsführer hier?« fragte ich sie, ohne auf ihr Angebot einzugehen.
»Es gibt zwei.« Ihre Hand schwebte langsam und elegant an ihren Hinterkopf, und mir schien es mehr als eine Handvoll blutroter Fingernägel zu sein, die dabei vorgeführt wurden. »Mr. Hardy ist es in der Nacht und Mr. Flack tagsüber. jetzt ist es Tag, also müßte Mr. Flack dran sein.«
»Wo kann ich ihn finden?«
Sie beugte sich über die Theke und ließ mich ihr Haar riechen, wobei sie mit einem zentimeterlangen Fingernagel in die Richtung der Lifttüren zeigte. »Es ist dort den Gang vor, neben dem Raum des Gepäckträgers.
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