Die kleine Schwester
stand da mit der Hand auf der Wunde und fragte mich, warum ich ihr nicht brüllend nachgerannt war. Aber statt dessen warf ich einen Blick in das offene Medizinschränkchen über dem Waschbecken. Das Oberteil von einem Gefäß mit Talkum war abgerissen worden. Talkum lag über das ganze Bord verstreut. Eine Zahnpastatube war aufgeschnitten. jemand hatte etwas gesucht.
Ich ging zurück zu dem kleinen Flur und versuchte, ob die Zimmertür aufging. Von außen abgeschlossen. Ich bückte mich und blickte durchs Schlüsselloch. Aber es war so ein versetztes Schloß, mit dem äußeren und inneren Schlüsselloch in verschiedenen Höhen. Das Mädchen mit der dunklen Brille mit weißem Gestell wußte nicht viel über Hotels. Ich drehte den Innenriegel, der das äußere Schloß öffnete, machte die Tür auf, warf einen Blick auf den leeren Gang und schloß die Tür wieder.
Nun wandte ich mich zu dem Mann auf dem Bett. Er hatte sich die ganze Zeit über nicht bewegt - aus gutem Grund.
Jenseits des kleinen Flurs verbreiterte sich das Zimmer auf zwei Fenster zu, durch die die Abendsonne schien, ein schräges Lichtbündel, das fast über das Bett reichte und unter dem Hals des Mannes endete, der dort lag. Wo es endete, steckte etwas Blauweißes, Glänzendes, Rundes. Er lag ganz bequem zur Hälfte auf seinem Gesicht, die Hände seitlich angelegt und ohne Schuhe. Die Hälfte seines Gesichts lag auf einem Kissen, und er schien ausgeruht. Er trug ein Toupet. Als ich das letzte Mal mit ihm gesprochen hatte, war sein Name George W. Hicks. jetzt Dr. G. W. Hambleton. Die gleichen Anfangsbuchstaben. Nicht daß es noch drauf ankäme. Ich würde nicht mehr mit ihm sprechen. Blut war keins da. Keinerlei Blut - das gehört zu den wenigen Vorteilen einer sachgemäßen Eisdorn-Arbeit.
Ich faßte seinen Hals an. Er war noch warm. Während ich das machte, wanderte der Sonnenstrahl vom Griff des Eisdorns zu seinem linken Ohr. Ich wandte mich ab und sah mich im Zimmer um. Das Gehäuse der Telefonklingel war geöffnet und offengelassen worden. Die Hotel-Bibel war in die Ecke geworfen worden. Der Schreibtisch war durchsucht worden. Ich ging zu einem Schrank und sah hinein. Es hingen Kleider drin und ein Koffer, den ich schon gesehen hatte. Ich fand nichts, das von Bedeutung schien. Ich hob einen Homburg vom Boden auf, legte ihn auf den Schreibtisch und ging noch einmal in das Bad. Worum es jetzt ging, war, ob die Leute, die Dr. Hambleton den Eisdorn appliziert hatten, das, was sie suchten, gefunden hatten. Sie hatten sehr wenig Zeit gehabt.
Ich durchsuchte das Bad sorgfältig. Ich nahm den Deckel des Wasserkastens des Klosetts ab und zog. Es war nichts drin. Ich guckte in das Überlaufrohr. Da hing kein Faden, an dem etwas Kleines angebunden war. Ich durchsuchte den Sekretär. Er war leer bis auf ein altes Kuvert. Ich hob die Hotelbibel vom Boden auf und blätterte sie durch. Ich prüfte die Rückseiten von drei Bildern und untersuchte den Teppichrand. Der Teppich war dicht an der Wand festgesteckt, und kleine Staubansammlungen waren in den Vertiefungen, die durch die Teppichnägel entstanden waren. Ich legte mich auf den Boden und untersuchte die Unterseite des Betts. Ergebnis gleich Null. Ich stellte mich auf einen Stuhl und sah in die Glasschale der Beleuchtung. Sie enthielt Staub und tote Motten. Ich betrachtete das Bett. Es war von einem Könner gemacht und danach nicht berührt worden. Ich tastete das Kissen ab, unter dem Kopf des toten Mannes, dann holte ich das zweite Kissen aus dem Schrank und prüfte seine Zipfel. Nichts.
Dr. Hambletons Jacke hing über eine Stuhllehne. Ich wühlte sie durch und wußte doch genau, daß hier die geringste Aussicht war, etwas zu finden. jemand hatte mit einem Messer das Futter und die Schulterpolster bearbeitet. Streichhölzer waren drin, einige Zigarren, eine dunkle Brille, ein billiges, unbenutztes Taschentuch, der Abschnitt von einer Kinokarte aus Bay City, ein kleiner Kamm, eine ungeöffnete Packung Zigaretten.
Ich betrachtete sie bei Licht.
Es gab keine Anzeichen, daß daran manipuliert worden war. Ich manipulierte daran. Ich riß sie auf, durchsuchte sie, fand nur Zigaretten.
Nun blieb nur noch Dr. Hambleton selbst. Ich drehte ihn um und fuhr in seine Hosentaschen. Wechselgeld, noch ein Taschentuch, eine kleine Tube Zahnpasta, noch mehr Streichhölzer, ein Schlüsselbund, ein Heft mit Bus-Fahrplänen. In einer Schweinsleder-Brieftasche waren ein Briefmarkenheftchen, ein zweiter Kamm (endlich mal
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