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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Sie können den Raum des Gepäckträgers nicht übersehen, denn er hat halbe Türen, und oben dran steht >Gepäckträger< in Goldbuchstaben. Aber da ist die Hälfte zurückgeklappt, also werden Sie's wohl nicht sehen können.«
    »Werd's schon sehen«, sagte ich. »Und wenn ich mir eine Türangel an den Hals schrauben muß. Wie sieht denn der Flack aus?«
    »Na ja«, sagte sie, »er ist so ein Kleiner, Dicklicher, mit einem kleinen Bärtchen. So ein vierschrötiger Typ. Irgendwie untersetzt, aber nicht groß.« Ihre Finger glitten lässig die Theke entlang, bis zu einem Punkt, wo ich sie hätte ganz unauffällig berühren können.
    »Er ist uninteressant«, sagte sie. »Wozu das Ganze?«
    »Geschäfte«, sagte ich, und machte, daß ich wegkam, bevor sie mit Catchergriff en anfing.
    Vom Lift aus warf ich noch einen Blick auf sie. Sie starrte mir mit einer Miene nach, von der sie wohl behauptet hätte, sie sei nachdenklich.
    Der Raum des Gepäckträgers lag am Korridor auf halbem Weg vor dem Ausgang zur Spring Street. Die Tür dahinter war halb offen. Ich lugte an ihr vorbei, trat dann ein und machte hinter mir zu.
    Ein Mann saß an einem kleinen Schreibtisch, auf dem Staub war, ein sehr großer Aschenbecher und wenig sonst. Er war kurz und dicklich. Er hatte was Dunkles, Stubbeliges unter seiner Nase, etwa zwei Zentimeter lang. Ich setzte mich ihm gegenüber und legte eine Karte auf den Schreibtisch.
    Er griff ohne besondere Erregung nach der Karte, las sie, drehte sie um und las die Rückseite mit der gleichen Sorg falt wie die Vorderseite. Auf der Rückseite stand nichts.
    Er nahm die Hälfte einer Zigarre aus seinem Aschenbecher und drehte die Nase seitwärts zum Anzünden.
    »Wo brennt's denn?« brummte er mir zu.
    »Nix brennt. Sind Sie Flack?«
    Er sparte sich die Antwort. Auf mir lag ein unverwandter Blick, mit dem er seine Gedanken verbarg, oder auch nicht - je nachdem, ob er welche zu verbergen hatte.
    »Ich will ein bißchen was wissen, von einem Gast«, sagte ich.
    »Der Name?« fragte Flack ohne Begeisterung.
    »Ich weiß nicht, unter was für einem Namen er hier lebt. Er ist in Zimmer 332.«
    »Unter welchem Namen lebte er, bevor er herkam?« fragte Flack.
    »Das weiß ich auch nicht.«
    »Na schön, wie sah er denn aus?« Flack war jetzt mißtrauisch. Er las noch einmal meine Karte, aber das vermittelte ihm keine neuen Kenntnisse.
    »Ich hab ihn nie gesehen, soviel ich weiß.«
    Flack sagte: »Vielleicht bin ich überarbeitet. Kapier's nicht.«
    »Ich bekam einen Anruf von ihm«, sagte ich. »Er wollte, daß ich ihn besuche.«
    »Halte ich Sie auf?«
    »Jetzt hören Sie einmal gut zu, Flack. In meinem Beruf macht man sich manchmal Feinde. Das müßten Sie wissen. Dieser Herr wollte was von mir. Sagt mir, ich soll rüberkommen, vergißt seinen Namen anzugeben und legt auf. Ich dachte, ich erkundige mich erst mal, bevor ich da raufgehe.«
    Flack nahm die Zigarre aus dem Mund und sagte geduldig- »Ich bin in einem miesen Zustand. Verstehe immer noch nicht. Begreife gar nichts mehr.«
    Ich beugte mich über den Schreibtisch und sprach ganz langsam und deutlich zu ihm:
    »Die ganze Sache ist vielleicht bloß eine clevere Tour, mich in ein Hotelzimmer zu locken, mich dann abzumurksen und dann leise abzuhauen. Sie wollen doch nicht, daß so was in Ihrem Hotel passiert, was, Flack?«
    »Nehmen Sie mal an, daß es mir was ausmacht«, sagte er. »Meinen Sie, daß Sie so wichtig sind?«
    »Rauchen Sie dieses Stück Hanfseil, weil es Ihnen schmeckt, oder weil Sie so scharf damit aussehen?«
    »Meinen Sie«, sagte Flack, »für fünfundvierzig Lappen in der Woche kann man was Besseres rauchen?« Er sah mich starr an.
    »Ich habe noch kein Spesenkonto«, sagte ich zu ihm. »Kein Geschäft zu machen.«
    Er machte ein Geräusch der Trauer, stand müde auf und ging aus dem Zimmer. Ich zündete mir eine Zigarette an und wartete. Nach kurzer Zeit kam er zurück und warf eine Meldekarte auf den Schreibtisch. Dr. G. W. Hambleton, EI Centro, Kalifornien, stand darauf, mit klarer, runder Schrift, mit Tinte. Der Angestellte hatte noch andere Sachen drauf geschrieben, darunter die Zimmer-Nummer und den Preis pro Tag. Flack zeigte mit einem Finger drauf, dem eine Maniküre fehlte, oder wenigstens eine Nagelbürste.
    »Kam hier an 14 Uhr 27«, sagte er. »Also heute, meine ich. Noch nichts auf der Rechnung. Zimmermiete für einen Tag. Kein Telefonanruf. Gar nichts. Genügt das?«
    »Wie sieht er aus?« fragte ich.
    »Hab ihn nicht

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