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Die kleine Schwester

Die kleine Schwester

Titel: Die kleine Schwester Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raymond Chandler
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Kunstmarmor waren Briefkästen und Klingeln.
    Über drei von den sechzehn waren keine Namen. Mit den Namen, die ich las, konnte ich nichts anfangen. Hier war noch allerhand Arbeit zu tun. Ich probierte die Eingangstür, fand sie unverschlossen, und noch immer war allerhand Arbeit zu tun.
    Draußen standen zwei Cadillacs, ein Lincoln Continental und ein Packard Clipper.
    Keiner von den Cadillacs hatte die richtige Farbe oder Nummer. Auf der anderen Seite der Einfahrt lümmelte sich ein Kerl in Reithosen in einem flachen Lancia; er ließ ein Bein über die Wagentür baumeln. Er rauchte und blickte hinauf zu den blassen Sternen, die wissen, warum sie so weit von Hollywood weg sind. Ich wanderte den steilen Hang hinauf zum Boulevard und dann einen Block nach Osten und klemmte mich in so einen Schwitzkasten von einer Freilufttelefonkabine. Ich wählte jemand an, der Peoria Smith hieß und der so hieß, weil er stotterte - noch ein kleines Rätsel, das ich aus Zeitmangel nie lösen konnte.
    »Mavis Weld«, sagte ich, »Telefonnummer. Marlowe hier.«
    »K-k-k-klar«, sagte er. »M-M-Mavis Weld, was? Sie w-wollen ihre T-t-telefon-nnummer?«
    »Kostenpunkt?«
    »Z-z-ehn D-d-dollar«, sagte er.
    »Vergessen Sie's«, sagte ich.
    »M-m-moment m-mal! Ich darf doch die Nummern von den M-M-miezen nicht sagen.
    Als Hilfsrequisiteur ist das Risiko zu groß.«
    Ich wartete und zog meinen eigenen Atem ein.
    »Natürlich gibt's die Adresse noch dazu«, jammerte Peoria - das Stottern vergaß er.
    »ich zahle fünf«, sagte ich. »Die Adresse habe ich schon. Und lassen Sie das Feilschen. Wenn Sie glauben, Sie sind der einzige Studioganove, der Geheimnummern verscherbelt, dann ... «
    »Bleiben Sie dran«, sagte er müde und ging sein kleines rotes Buch holen. Ein verdrehter Stotterer. Er stotterte nur, wenn er nicht aufgeregt war. Er kam zurück und sagte sie mir. Natürlich eine Crestview-Nummer. Wer in Hollywood keine Crestview-Nummer hat, ist ein Nichts.
    Ich machte die Stahl-und-Glas-Kabine ein bißchen auf, um etwas Luft hereinzulassen, während ich noch mal wählte. Nachdem es zweimal geklingelt hatte, kam eine schleppende Stimme, sehr sexy. Ich zog die Tür zu.
    »Ja-a-a«, gurrte die Stimme.
    »Bitte Miss Weld.«
    »Und wer wünscht Miss Weld, bitte?«
    »Ich hab ein paar Szenenfotos, die ich heute abend von Whitey abgeben soll.«
    »Whitey? Und wer ist Whitey, Amigo?«
    »Der erste Fotograf im Studio«, sagte ich. »Wissen Sie das nicht? Ich komme rauf, wenn Sie mir sagen, in welches Apartment. Ich bin ein paar Häuser weiter.«
    »Miss Weld nimmt ein Bad.« Sie lachte. Vermutlich war es dort, wo sie war, ein silbernes Perlen. Wo ich war, klang es, als ob jemand Untertassen wegstellt. »Aber natürlich bringen Sie die Fotos. Sie kann's sicher kaum erwarten, sie zu sehen. Die Apartmentnummer ist vierzehn.«
    »Sind Sie dann auch da?«
    »Aber natürlich. Aber sicher. Warum fragen Sie denn?«
    Ich hing ein und schwankte hinaus in die frische Luft. Ich ging den Berg runter. Der Kerl in den Reithosen hing immer noch aus dem Lancia heraus, aber einer von den Cadillacs war weg, und zwei Buick Cabrios hatten sich zu den Wagen vor dem Haus gesellt. Ich drückte die Klingel bei Nummer 14, ging weiter durch den Hof, wo ein hellrotes chinesisches Geißblatt von einem Tiefstrahler beleuchtet wurde. Ein anderes Licht beschien einen großen dekorativen Teich voller fetter Goldfische und schweigsamer Seerosen, deren Blüten sich zur Nacht geschlossen hatten. Ein paar Steinbänke waren zu sehen und eine Schaukel. Das Etablissement sah nicht besonders teuer aus, nur daß es in diesem Jahr überall teuer war. Das Apartment war im zweiten Stock, eine von zwei gegenüberliegenden Türen an einem breiten Treppenabsatz.
    Ein Glockenspiel tönte, und ein großes dunkles Mädchen in Breeches öffnete die Tür.
    >Sexy< war ein sehr schwaches Kompliment für sie. Die Breeches und ihr Haar waren kohlschwarz. Sie trug eine weiße Seidenbluse mit einem blutroten Schal, der lose um ihren Hals lag. Nicht ganz so blutrot wie ihr Mund. Sie hielt eine lange braune Zigarette in einer dünnen goldenen Pinzette. Die Finger, die sie hielten, waren nicht zu knapp geschmückt. Ihr schwarzes Haar war in der Mitte geteilt, und eine schneeweiße Scheitellinie lief den Kopf hinauf und verschwand. Zwei dicke Wellen ihres glänzend schwarzen Haares lagen je auf einer Seite ihres schlanken braunen Halses. jede von ihnen wurde von einer blutroten Spange gehalten. Aber es war

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