Die kleinen Freuden des Lebens
ich bei RTL oder Pro7 keine innovative Wucht erkennen, und die Gewinnspiele
auf den kleineren Kanälen (»In welcher Stadt steht der Schiefe Turm von Pisa?«) lassen in der Tat das Schlimmste für die Zivilisation
befürchten. Die SMS aber ist ein Fortschritt. Ihre Erfindung gestaltet das Leben leichter, offener und glücklicher.
Da wäre zunächst einmal ihre Unverbindlichkeit. Ein SM S-Kompliment ist völlig unverfänglich, weil man es ja immer ironisch abfedern kann [»;)«], und wer es denn zweideutig formuliert haben
möchte, hat alle Zeit der Welt, darüber nachzudenken und seine Wortwahl zu optimieren. Schon aufgrund der Flüchtigkeit des
Mediumswirkt eine SMS nie plump. Auch schlechte Kurznachrichten versenden sich irgendwann. Der Speicher ist schnell voll, dann muss
gelöscht werden. Sollte man später mal berühmt werden, kann jedenfalls keiner mehr Liebesbriefe von einst hervorkramen und
der ›Bild‹-Zeitung verkaufen.
Die Schnelligkeit der SMS ist ein weiterer Vorteil. Es ist nun einmal so, dass wir nie mehr die Ruhe haben werden, die unsere
Großeltern noch hatten. Damals näherte man sich über Jahre auf sonntäglichen Parkspaziergängen an, und mit Glück durfte man
irgendwann einmal Händchen halten. Ich brächte diese Geduld nicht auf. Man stelle sich das mal vor: Vier Sommer lang macht
man der schönen Nachbarin den Hof, und dann sagt sie einem plötzlich, man solle gut Freund bleiben. Sätze, die man nicht hören
möchte: Schicke mir keinen Boten, ich schicke dir einen Boten. Schlimm. Wer das Privileg hat, sich noch mit seinen Großeltern
unterhalten zu können, dem wird das Bild von der guten alten Zeit, als man die Wäsche mit der Hand über dem Zuber schrubben
musste und das Bügeleisen mit glühenden Kohlen füllte, ohnehin verdorben. Unsere armen Großeltern, die hätten SMS wahrlich
gut gebrauchen können. Die SMS ist ein Vorsortierer, der die Partnerwahl erleichtert und genug Energien übrig lässt, um sich
auf den Richtigen oder die Richtige zu stürzen.
Flirten ist ungeheuer schwierig, weil ihm eine flirrende Leichtigkeit innewohnt, eine Nonchalance, die nur ganz wenige Menschen
von Angesicht zu Angesicht aufbieten können. Die SMS bietet das perfekte Forum für Ungezwungenheit und Beiläufigkeit. Laura
und ich zum Beispielkommunizieren, wenn wir voneinander getrennt sind, per SMS liebevoller als von Angesicht zu Angesicht. Man kann übermüdet
auf dem Sofa liegen oder in der Badewanne experimentieren, wie sich ein Rülpser unter Wasser anhört – gerade in solchen Situationen,
die die moderne Psychologie mit »Kontrolle aufgeben, um Kontrolle zu bekommen« umschreibt, fällt die ätherische, lässig formulierte,
gewissermaßen dahingezwitscherte SMS am leichtesten.
Das Beste an der neuen Technologie: Man kann einen Flirt per SMS kaum versauen. Natürlich hat man nicht immer Erfolg, aber
Fettnäpfchen bleiben einem doch erspart. Trotz der Geschwindigkeit des Schriftwechsels hat man stets genug Zeit, seinen Flirt
Korrektur zu lesen und heikles Terrain wie Ex-Partner, Politik oder Gewichtszunahmen zu umgehen. Die Frage, wer die Rechnung
bezahlt, stellt sich nicht, und auch schlechter Atem wird nicht mittels Kurznachricht transportiert. Wer es schafft, per SMS
peinlich zu wirken, muss der gröbstbehauene Klotz der Welt sein.
Golf im Fernsehen
W ie Sie anhand einiger Kapitel dieses Buches bereits festgestellt haben dürften, habe ich eine Menge sehr eigenartiger Lieblingsbeschäftigungen.
Mein zweitgrößter Spleen hat kein eigenes Kapitel bekommen: Ich mache Listen von Dingen, die ich schon längst erledigt habe,
nur um sie schwungvoll abhaken zu können. Mein größter Spleen kommt hier: Ich schaue gern Golf im Fernsehen. Nichtgolfer halten
schon Golf selbst für öde. Golf im Fernsehen, finden Laien, sei Langeweile in Potenz. Auch meine Frau glaubt, ich sei nicht
mehr ganz normal.
Doch wenn in Deutschland Golf im Fernsehen übertragen wird, sind es immer bayerisch sprechende Menschen mit tiefen Stimmen,
die da moderieren. Das hat etwas Hypnotisierendes, Entspannendes. Wenn einer sich zum Putt bereit macht, dann flüstern sie,
weil sie den Spieler nicht stören wollen, obwohl sie 11 000 Kilometer entfernt in einem abgedunkelten Studio in München-Unterföhring sitzen. Ich mag das, denn Höflichkeit ist eine unterbewertete
Charaktereigenschaft. Dazu kommt dieser in Grasgrün und Himmelblau getauchte Bildschirm, der
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